„Wir verkaufen den Traum aus 1001 Nacht“
Zwischen Film und Fantasie: Immer mehr deutsche Touristen
entdecken Marrakesch jenseits des Massentourismus.
Jetzt gibt’s für sie spezielle Angebote.
Ausgabe 4 / 2013
Text: Annete Kaiser
Junge Musiker spielen feurige arabische
Rhythmen, Schlangenbeschwörer und Geschichtenerzähler
ziehen die Zuschauer
in ihren Bann, Händler verkaufen handgefertigte
orientalische Lampen oder
duftende grüne Pfefferminzblätter, Köche
an den Essständen unter freiem Himmel
garen würzige Fleischspieße vor den
Augen der Kunden. Wer über Marrakeschs
berühmten Marktplatz Jamaa El Fna schlendert,
kann mit allen Sinnen genießen. Kein
Wunder, dass die malerische Altstadt der
nordafrikanischen Metropole immer mehr
deutsche Touristen in ihren Bann zieht. So
wie Ben, den jungen Hauptdarsteller des
Films „Exit Marrakech“ von Caroline Link,
der seit Oktober 2013 in den deutschen
Kinos läuft.
„Wir freuen uns natürlich, wenn der Film
uns mehr deutsche Besucher beschert,“
heisst es beim marokkanischen Fremdenverkehrsamt.
Zwar kommen die
meisten
ausländischen Touristen aus
Frankreich.
Doch die Zahl der deutschen
Touristen steigt, seitdem immer mehr
Fluggesellschaften eine Direktverbindung
nach Marrakesch eingerichtet haben. Zwar
habe der Anschlag auf ein Touristencafe in
Marrakesch vor zwei Jahren kurzfristig für
einen Einbruch gesorgt. Doch inzwischen
laufe das Tourismusgeschäft wieder gut.
Märchenkulisse statt moderner
Luxusbau
Diese Ansicht teilt Julia Bartels, Besitzerin
eines traditionellen Hotels (Riad) in der
malerischen Altstadt von Marrakesch.
„Marrakesch boomt,“ sagt die 43-Jährige.
Fast jeden Monat eröffne ein neues Hotel der
Luxusklasse am Stadtrand. „Die deutschen
Touristen bevorzugen jedoch die Riads in
der Altstadt, weil sie ein landestypisches
Ambiente vermitteln.“ Die Juristin aus
Bonn weiß, wovon sie spricht. Vor zehn
Jahren kam sie nach Marrakesch, um das
im marokkanischen Stil gebaute Stadthaus
aus dem 14. Jahrhundert nach dem Tod
ihres Vaters zu übernehmen. Der war
zuletzt Botschafter in Rabat und hatte das
„Riyad El Cadi“ als Altersruhesitz gekauft.
Das Hotel mit 15 Gästezimmern und Suiten
hat er mit viel Geschmack eingerichtet: An
den Wänden hängen Bilder arabischer und
asiatischer Künstler, die der Diplomat von
seinen Reisen mitgebracht hat. Kostbare
antike Möbel, orientalische Teppiche
sowie Palmen und plätschernde Brunnen
im Innenhof schaffen eine märchenhaft
anmutende Kulisse. „Wir bieten den Traum
von 1001 Nacht – so, wie die Europäer ihn
sich vorstellen,“ sagt Julia Bartels.
90 Prozent der traditionellen Hotels
besitzen Ausländer
Und wovon die Touristen träumen, das
wissen die Besitzer. Denn die etwa 800
Riads in der Altstadt von Marrakesch sind
zu 90 Prozent in der Hand von Europäern,
vor allem Franzosen, darunter auch zehn
Deutsche. Die Ausländer waren es, die in
den neunziger Jahren das Potenzial der
traditionellen Herrenhäuser erkannten und
daraus schmucke Hotels im orientalischen
Stil machten. Davor gab es in der Medina
(Altstadt), die zum Weltkulturerbe der
UNESCO gehört, nur einfache Herbergen
mit Gemeinschaftstoiletten. Touristen
mit höherem Einkommen wohnten ausschließlich
in den Hotels der Neustadt, die
sich kaum von einer mittelgroßen Stadt in
Frankreich oder Spanien unterscheidet, sagt
Sabine Benchaira, auch sie Besitzerin eines
traditionellen Hotels. Die marokkanischen
Eigentümer der Herrenhäuser in der Altstadt
seien damals froh gewesen, die
maroden Gebäude loszuwerden, „Wer
von den Einheimischen genug Geld
hatte, kaufte sich eine Wohnung in der
Neustadt, mit modernen Möbeln, Aufzug
und Klimaanlage,“ so Benchaira. „Das
symbolisierte für sie den Fortschritt.“
Deutsche entdecken Marrakesch
jenseits des Massentourismus
Die 47-jährige Mannheimerin Benchaira
hat die Liebe nach Marrakesch verschlagen.
Bei ihrer ersten Interrail-Reise 1986 lernte
sie ihren marokkanischen Mann Ahmed
kennen. Beide heirateten und kehrten
erst mal nach Deutschland zurück, um
eine Ausbildung zu absolvieren – sie als
Hotelfachfrau, er als Koch. 1997 kehrten
die beiden nach Marokko zurück und
eröffneten ihr Riad „Sherazade“, mit 22
Zimmern eines der größten in der Medina.
„Der internationale Touristenboom ging
Anfang 2000 los, überall eröffneten Hotels.“
In Deutschland sei das Geschäft erst sechs
Jahre später mit der Eröffnung der ersten
Billigfluglinien in Schwung gekommen,
erinnert sich Benchaira. „Früher war die
Stadt nur eine Durchgangsstation auf dem
Weg in den Süden, in der sich die Touristen
zwei bis drei Tage aufhielten,“ so Benchaira.
Dies werde dem riesigen Angebot an
Kultur und Freizeitmöglichkeiten der
marokkanischen Metropole nicht gerecht.
Welche Touristen das Angebot nutzen, hat
nach Meinung der Hotelbesitzerin auch mit
nationalen Unterschieden zu tun. Italiener,
Franzosen und Osteuropäer bevorzugten
überwiegend die modernen Luxus-Hotels
am Stadtrand. Deutsche und Skandinavier
hingegen seien jetzt dabei, Marrakesch
jenseits des Massentourismus zu entdecken.
„Sie erwarten authentische Erlebnisse und
individuelle Angebote.“
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