Impressionen aus Nord-Irak
Erbil ist oft erste Station einer Reise durch den Norden des Irak – ein für Europäer weitgehend unbekanntes Terrain und touristisches Wunderland.
Weitere große Städte sind Dohuk und Suleymaniyah, am nächsten zur irakischen Hauptstadt Bagdad gelegen. Alle drei Städte sind Hauptstädte gleichnamiger Provinzen, in denen insgesamt etwa vier Millionen Menschen leben.
Ausgabe 1 / 20012
Text und Fotos: Barbara Schumacher
Der westliche Besucher kann sich wie ein Entdecker fühlen, denn bisher sind in der "Autonomen Region Kurdistan" – in Deutschland wird diese Bezeichnung oft vermieden, man spricht von "Nord-Irak" - weitgehend einheimische Besucher unterwegs. Sie kommen mit ihren Familien aus Basra, Bagdad, Mosul oder Kirkuk und freuen sich über große Städte mit langer Geschichte und Kultur, kleine Dörfer in atemberaubenden, wilden und lieblichen Fluss- und Berglandschaften mit zahlreichen Wasserfällen und Höhlen und einer für hiesige Verhältnisse guten Infrastruktur mit Hotels, Restaurants und Erholungsmöglichkeiten – Wandertourismus wird aufgebaut. Vor allem aber genießen sie die Sicherheit, die in diesem Gebiet herrscht. Den zahlreichen, westlichen Besuchern gegenüber äußerst freundlichen Kontrollposten ist es bisher gelungen, Unruhestifter aller Art fernzuhalten.
Menschen, die - aus welchen Gründen auch immer – aus Bagdad flüchten, können im Nord-Irak Exil im eigenen Land bekommen, denn der Arm Bagdads reicht nicht in die Autonome Kurdische Provinz. Die Kurden haben hier nämlich ihre eigene Armee und Polizei, ein unabhängiges Regionalparlament und eine eigene Gerichtsbarkeit.
Viele neue Initiativen
Irak erregt in zunehmendem Maße internationales Interesse. Ende 2011 wurde bekannt, dass die der Weltbank zugehörige International Finance Coorporation (IFC) die irakische Wirtschaft mit 800 Millionen US-Dollar unterstützen will. Geplant sind in den nächsten drei Jahren vor allem Investitionen im Energie- sowie Bankensektor. Zwischen 300 und 500 Millionen US-Dollar will die IFC für den Bau von Anlagen investieren, die Erdgas sammeln sollen, das bei der Ölförderung in die Atmosphäre austritt; zurzeit wird dieses Gas verbrannt. Ferner will die IFC den Bankensektor stärken, um privaten Investoren den Zugang zu Krediten zu erleichtern.
Auch Nord-Irak hat Erdöl zu bieten. Die hier herrschende Sicherheitzieht Investoren an, die sich beispielsweise auf den Gebieten Ölförderung, Bau, Landwirtschaft sowie Wasser-, Abwasser- und Müllwirtschaft betätigen können. Bisher profitieren davon hauptsächlich die Türken. Bei deutschen Investoren hat es sich noch nicht in größerem Maße herumgesprochen, dass man im sicheren Norden Iraks Erfahrungen sammeln könnte für späteres Engagement im ganzen Land. Bisher haben sich erst rund 40 deutsche Unternehmen hierher gewagt. Die Angst vor der scheinbaren Übermacht des türkischen Engagements schwindet nur langsam, obwohl die Kurden sehr deutschfreundlich sind und sich in immer rascherem Tempo die Vorzüge deutscher Qualität herumsprechen.
Vor dem Hintergrund einer Arbeitslosenquote von 16 Prozent gibt es neuerdings Überlegungen, ausländischen Firmen, die irakische Mitarbeiter einstellen, in Zukunft finanzielle Vorteile einzuräumen. "Ausländische Unternehmen sind selbstverständlich auf ihre erfahrenen Mitarbeiter im Technik- und Ingenieurwesen angewiesen, aber es ist nicht einzusehen, dass ausländische Arbeiter in diesen Firmen Tätigkeiten ausüben, wenn diese auch ein Iraker übernehmen könnte", lautet die Argumentation.
Erbil – Hauptstadt von Irakisch Kurdistan
Erbil gehört zu den ältesten Städten der Welt. Die Millionenstadt wächst unaufhörlich, ein Plan für den jedem Besucher auffallenden Bauboom ist nicht zu erkennen, und mancher hat ein "déjà vu – Erlebnis" in Erinnerung an den Beginn des Baubooms in Dubai, zu dem auch die riesigen Werbeschilder an kilometerlangen Bauzäumen für gigantische Bauprojekte wie z. B. "Floriacity" passen.
Zitadelle
Viele Besucher zieht es zuerst zur Zitadelle mit kreisförmigem Grundriss, die sich – ähnlich wie die Zitadelle von Aleppo - auf einem die Stadt 28 bis 32 Meter überragendem Hochplateau befindet. Das Plateau ist nicht nur Ort der Festung, sondern einer ganzen Stadt in Adobe- (Ziegelstein) Bauweise. Die Zitadelle umfasst eine Fläche von elf Hektar, hat einen Durchmesser von ca. 1,5 Kilometer und ist über 6000 Jahre alt. Archäologen glauben, dass sie bereits in der neolithischen Periode bewohnt war und somit zu den am längsten bewohnten Orten der Erde gehört. Sie war u. a. im Besitz der Assyrer, Sumerer, Akkader, Babylonier, bevor die Muslime sie eroberten.
Es ist Ziel aller seit 2007 in der Zitadelle laufenden Restaurierungsbemühungen des "Erbil Citadel Revitalization Project", bei denen die UNESCO als Partner der kurdischen Regionalregierung fungiert, es auf die Anwärterliste als UNESCO-Weltkulturerbestätte zu schaffen. Die Kosten werden mit 1,5 Millionen US-Dollar angeben, der Masterplan existiert seit Oktober 2010. Bei einigen Gebäuden sind die Restaurierungsarbeiten schon weit fortgeschritten, z. B. beim Fatah Chalabi Haus und beim Rashid Aga Haus.
Sehr sehenswert ist das im Dezember 2004 eröffnete Kurdish Textile Museum, das derzeit mit Deutscher Hilfe renoviert wird, der Besuchsbetrieb ist jedoch nicht betroffen. Das Museum befindet sich im Saray Quarter der Zitadelle, gleich rechter Hand hinter dem monumentalen Eingangstor. Zu sehen gibt es eine große Sammlung von Teppichen, Wandbehängen, Kunsthandwerk und traditioneller Kleidung – alles handgefertigt und ein gutes Spiegelbild des kurdischen Kulturerbes. Im Keller des Museums ist der Basar einen Besuch wert, denn hier gibt es die besten, authentischen Souvenirs: Kleider, Jacken, Decken, Stickereiarbeiten und Silber-Schmuck. Die Textilien wurden von kurdischen Frauen innerhalb des "Women’s Income Generation Projects" hergestellt, einer Initiative des Museums, die das Ziel verfolgt, Jobs für die einheimischen Frauen zu schaffen, indem sie die Traditionen pflegen und gleichzeitig mit dem Verkauf ihrer Produkte sich ein gewisses Einkommen sichern.
Das Projekt beinhaltet auch die Weitergabe der handwerklichen Fähigkeiten an die junge Generation.
Im Parlament
Nach kurzer Besichtigung des gerade leeren Parlamentsaales gibt es Informationen von Vizepräsident Dr. Asalan Baiz, die mit der Erinnerung daran beginnen, dass Irakisch Kurdistan einmal ein Waffentestgelände war – auch für Chemiewaffen. Die Folgeschäden sind noch bei Kindern festzustellen. "Heute sind wir stolz auf Demokratie und freie Meinungsäußerung und darauf, dass die Opposition, die 25 der insgesamt 111 Sitze im Parlament inne hat, ihre Meinung frei äußern kann, so Dr. Baiz. "Wir haben hinsichtlich der Medien eine große Vielfalt und eine freiheitliche Atmosphäre ohne Zensur. Frauen sind mit einer 30-prozentigen Quote im Parlament vertreten. Es gibt zahlreiche Frauenzentren und Organisationen für Frauenrechte. Für die Rechte der verschiedenen Ethnien und religiösen Minderheiten setzen sich mehrere Institutionen ein.
Die aus dem mittleren und südlichen Irak vertriebenen Christen finden im Norden Zuflucht und können Kirchen bauen. Die Christen haben im Parlament sechs Sitze. In Erbil bewohnen sie einen eigenen Stadtteil: Ankawa. Auch andere Ethnien, Araber oder Turkmenen (fünf Sitze) sind gleichberechtigt. Vor allem besitzen sie das Recht, ihre Kultur zu pflegen, mit eigener Presse, Rundfunk- und Fernsehsendern. Es existieren hunderte von Sprachzentren zur Pflege der Sprachkultur. In vielen Schulen ist Unterrichtssprache Englisch oder Französisch. Islamische Parteien haben zwölf Parlamentssitze". Gefragt nach der wirtschaftlichen Entwicklung meint er: "Wir sind offen gegenüber ausländischen Investoren, wobei die Türken derzeit eine wichtige Rolle spielen.
Wegen der herrschenden Sicherheit werden viele Investoren hier aktiv und machen die Erfahrung, dass Irakisch Kurdistan die sicherste Region innerhalb Iraks ist. Wir verzeichnen hier die am stärksten wachsende Zahl ausländischer Besucher. Das ist gut für den Wiederaufbau, und nicht nur Delegationen, die vor 25 Jahren die Ruinen gesehen haben, bestätigen den rasanten Fortschritt".
Auf die Frage nach den wichtigsten Investitionsbereichen führt er aus: "Wir haben ein Investitionsgesetz. Ausländische Investoren werden auf allen Gebieten gebraucht. Die Prioritätenliste wird von Erdöl, Landwirtschaft und Tourismus angeführt: Noch zu Zeiten der alten Regierung wurden hunderte von Ölfeldern entdeckt, die nun wiederentdeckt und erschlossen werden müssen.
Viele ausländische Spezialfirmen, auch aus den USA, sind bereits im Land. Derzeit exportieren wir 150.000 Barrel Erdöl täglich. Rund 450 kurdische Dörfer sind mit ihren landwirtschaftlichen Nutzflächen zerstört worden. Es gibt also viel zu tun beim Wiederaufbau und bei der Landnutzung.
Beim Tourismus erhoffen wir uns höhere Besucherzahlen, wenn die Türkei und Iran sich stärker öffnen". Die wirtschaftlichen Beziehungen zu den Nachbarn Türkei und Iran werden als gut dargestellt. Viele neue Hotels sind im Bau, die meisten Baufirmen stammen derzeit aus der Türkei. Dass man auf gutem Wege ist, zeigen 200.000 Besucher während des Ramadan 2011.
Freie Meinungsäußerung - konkret
Beim Verlassen des Parlamentsgebäudes sind sie schon zu hören: die lautstarken Proteste von rund hundert Frauen, die einen Tumult vor dem Eingangstor verursachen. Sie können ungehindert demonstrieren und ihre Transparente schwenken. Es geht um Bildung. Die Frauen setzen sich dafür ein, dass sie nach dem vollendeten 30. Lebensjahr weiterhin studieren dürfen, sie wenden sich gegen die Abschaffung von Abendgymnasien und verlangen Stipendien. Einige Frauen sind völlig außer sich und ihre Rufe "please help us" klingen so verzweifelt, dass sie noch lange für Gesprächsstoff sorgen.
Deutsches Wirtschaftsbüro Irak
Die Privatwirtschaft läuft gut - der gesamte Handel ist in privater Hand. Die 7. Internationale Messe in Erbil, die Mitte Oktober 2011 stattfand, war ein großer Erfolg und bot auch deutschen Unternehmen gute Kontakte. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass deutsche Qualität sich auf Dauer auszahlt. Seit Februar 2010 leitet Volker Wildner das Deutsche Wirtschaftsbüro in Erbil - im Gebäudekomplex des European Technology & Training Center (ETTC) in der Nawroz Street. Das Büro ist von der Regierung akzeptiert, es gibt also beste Kontakte zu den Handelkammern und Ministerien. Selbstverständlich sind hier auch die Termine für die zahlreichen, jährlichen Messen in Erbil und Suleymaniyah in Erfahrung zu bringen. Kenntnisse über die Marktsituation werden vermittelt, und es gibt Unterstützung beim Knüpfen neuer Wirtschaftskontakte. Das Wirtschaftsbüro bietet sich an als Ansprechpartner für Ausschreibungen und Aufträge an deutsche Unternehmen.
Der Service ist unentgeltlich.
Telefon: +964 750 325 8543
Email: dwie@dw-irak.com
Internet: www.dw-irak.com.
Dohuk – zwischen zwei Bergketten
Schon bei der Einfahrt nach Dohuk (Do = zwei und huk = Hügel) wird man vom besonderen Flair dieser pulsierenden Stadt eingenommen, die als die sauberste und gepflegteste Stadt des Irak gilt. Dohuk hat eine reiche Geschichte, denn hier verlief die "zweite Seidenstraße" von Iran nach Anatolien. Zeugnisse für den regen Handel sind auch die noch vorhandenen römischen Brücken. Das beste Beispiel dafür ist die alte Brücke über den Khabor (Nebenfluss des Tigris) in der nahe gelegenen Grenzstadt Zakho (an der Grenze zur Türkei). Auch als Hochburg für zeitgenössische Kunst macht Dohuk von sich reden.
Gespräch beim Vorsitzenden des Stadtrats
Dr. Fadil Salih ist stolz auf die Tatsache, dass man neun Jahre nach dem Sturz von Saddam Hussein (2003) schon recht weit gekommen sei bei dem Versuch, demokratische Strukturen aufzubauen, wobei die Frauen kräftig mithelfen. "In unserem Stadtrat sind Christen, Muslime und Yesiden vertreten. Die Stadt hat ca. 350.000 Einwohner; in der gleichnamigen Provinz, die die wasserreichste Provinz des Irak ist, wohnen eine Million Menschen. Wir hoffen, dass Dohuk in Zukunft noch mehr Besucher anzieht, denn Archäologen vermuten unter unserer Stadt eine antike Siedlung. Beim Bau des nahe gelegenen Mosul-Staudamms für den Stausee, der die Trinkwasser- und Stromversorgung sicher stellt, fanden sie ein 11.000 Jahre altes Dorf. Dieser Fund und eine Echnaton-Figur, die bereits vor rund 300 Jahren entdeckt wurde, nähren diese Annahmen vor dem Hintergrund, dass früher in dieser Gegend viele Schlachten geschlagen wurden – auch Alexander der Große war hier.
Was wir brauchen, sind ausländisches Kapital und Fachleute, die uns helfen, die notwendigen Grabungen durchzuführen". Ob bereits Kontakte zum Deutschen Archäologischen Institut bestehen, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.
Dr. Fadil hat noch mehr Informationen: "Dohuk ist nicht nur sauber, sondern auch sicher und tolerant, und damit das so bleibt, haben wir ein Kontrollsystem eingerichtet, das das Einsickern islamischer Terroristen aus Mosul und Kirkuk verhindert – und: die Gegend hier ist das Bindeglied zwischen Iran und dem südlichen Irak, daher gibt es den Plan, zwischen Dohuk und Zakho eine Freihandelszone einzurichten".
Stadt der Kunst
Mitten in der Stadt – direkt gegenüber dem riesigen Basar – befindet sich die vom Ministry of Culture and Youth, General Directorate of Culture and Arts, geförderte Dohuk Gallery, eine geräumige Kunstgalerie, in der regelmäßig professionell ausgerichtete Kunstausstellungen kurdischer Künstler stattfinden. Besondere Aufmerksamkeit in der regionalen Kunstwelt erregt die jährliche, mehrwöchige Ausstellung von Kunstwerken der Absolventen der hiesigen Kunsthochschule, die im Herbst 2011 zum zehnten Mal stattfand. Die Ausstellung gibt einen guten Überblick über die Vielfalt der Techniken von abstrakt bis real, wobei Öl, Acryl und Mixed Material auf Leinwand bei den Gemälden überwiegen. Auch einige Werke aus dem Bereich der Digitalkunst sind zu sehen, die sich vorwiegend kritisch mit aktuellen Geschehnissen in Politik und Gesellschaft auseinandersetzen. Bei den gegenständlichen und abstrakten Skulpturen arbeiten die Künstler bevorzugt mit Holz, Keramik und glasfaserverstärktem Kunststoff.
Suleymaniyah – erfindet sich neu
Die Stadt wurde 1873 vom Prinzen von Baban gebaut und war das Zentrum der kurdischen Kultur. Der Hoch-Sorani-Dialekt (einer der vier kurdischen Sprachen resp. Dialekte) hat hier seinen Ursprung. Dichter und Intellektuelle schreiben in dieser Sprache, und viele meinen, dass Sorani zur offiziellen Sprache gekürt werden solle. Suleymaniyah hat berühmte Persönlichkeiten hervorgebracht, wie z. B. Achmed Amin Zaki, der 1892 das Buch "Kurden und Kurdistan" veröffentlichte, das immer noch lesenswert ist, oder Sherko Berkas, der 1992 den Kurt Tucholsky-Preis in Schweden bekam, in seinem eigenen Verlag Literatur und zwei literarische Zeitschriften verlegt und bis heute in Suleymaniyah lebt.
Stadterkundung mit Dr. Kamal
"Die Stadt hat 1,3 Millionen Einwohner", erzählt Dr. Kamal, der an der Universität lehrt. "In Suleymaniyah gibt es fünf Universitäten, Erbil hat acht und Dohuk vier – es sind jeweils alle Fakultäten vertreten. Bis zum Jahr 1991 gab es nur eine Universität in Erbil". Noch rasanter als die Entwicklung im universitären Bereich gestaltet sich die Stadtentwicklung. Auch ohne besonderen Hinweis ist ersichtlich, dass die mehrspurige Hauptstraße arme von wohlhabenden Stadtvierteln trennt – in letzteren herrscht rege Bautätigkeit, vor allem in Sarchinar, dem Touristenviertel in spe, in dem die ersten Wolkenkratzer in den Himmel wachsen.
"In viele dieser insgesamt etwa 360 gigantischen Projekte – sowohl in Irakisch Kurdistan als auch in Irak – investiert der kurdische Millionär Faruk Mullah Mustafa, u. a. Besitzer einer Telefongesellschaft und einer Zementfabrik", ist zu erfahren. Das alles überragende, markant auf einem Hügel gebaute neue Fünf-Sterne-Hotel mit sich drehendem Restaurant an der Spitze ist eines dieser Investitionsprojekte. Die Kapitalflucht illegaler Gelder ist weit verbreitet, und es wird allgemein anerkannt, dass Faruk Mullah Mustafa sich daran nicht beteiligt. Selbstverständlich entstehen in den wohlhabenden Vierteln neben Luxusvillen auch elegante Geschäfte, Boutiquehotels, Restaurants und private Krankenhäuser (ebenfalls von Faruk Mullah Mustafa gebaut). Aber auch die ärmeren Viertel profitieren, denn hier werden neue Reihenhaussiedlungen gebaut. Spätestens in Suleymaniyah, leider hier besonders, erkennt man die Notwendigkeit für professionelle Müllentsorgung und Abwasserwirtschaft. Der Müll landet derzeit immer noch unbearbeitet auf leeren Flächen in der Natur.
Strom ist derzeit noch sehr teuer, Wasser jedoch sehr billig, da reichlich vorhanden (!). "95 Prozent der Einwohner von Suleymaniyah sind Kurden, fünf Prozent Araber, die ihre eigenen Schulen haben, in denen es Arabischunterricht gibt", meint Dr. Kamal angesichts des großen Werbeplakats "Panda-Kindergarten", das am mit der Aufschrift "German Village" gekennzeichneten Eingangstor zum deutschen Dorf angebracht ist. Das große Hinweisschild "Industrial Zone" ist allerdings irreführend. "Dort befinden sich bisher vorrangig KfZ-Reparaturwerkstätten". Gefragt nach einem auffallenden, leer stehenden, großen Ziegelsteingebäude meint Dr. Kamal: "Das war die alte, von den Briten erbaute Tabakfabrik.
Früher befanden sich um Suleymaniyah große Tabakanbauflächen, und 95 Prozent aller Tabakfabriken des Irak standen hier. Jetzt ist die Tabakindustrie in Bagdad". Saddam Hussein hatte hier wie auch in den übrigen Gegenden des Nordirak landwirtschaftlich genutzte Flächen systematisch zerstören lassen.
Süßes Geschäft
Dieser Zerstörungswut sind Bergwiesen mit vielen Blumen als Bienennahrung offenbar entkommen. "In der Umgebung von Suleymaniyah gibt es in den Bergen viele Dörfer, in denen Imker ihre Bienenvölker pflegen", so der Inhaber eines luxuriösen Honiggeschäfts im Stadtteil Sarchinar. "Der beste Honig kommt aus Sharbajer, einem Landstrich mit 30 Dörfern, die etwa 40 bis 80 Kilometer von Suleymaniyah entfernt sind. Ein Kilogramm kostet 60 US-Dollar. Etwas preiswerter ist der Honig aus Penduin, ca. 60 bis70 Kilometer entfernt. Die Bienen finden dort im Frühjahr und Sommer viele blühende Bergblumen vor. Die Bienenvölker bewohnen Holzkästen oder längliche, geflochtene Körbe. Mit diesen Körben dekorieren die Honiggeschäfte gern ihre Auslagen". Verkauft wird der Honig in Gläsern und Fässern. Es gibt verschiedene Sorten unterschiedlicher Farbe und Qualität, die kostenlos probiert werden dürfen. An Kundschaft herrscht kein Mangel: "Unsere Kunden kommen aus Bagdad und Basra, aber auch aus Dubai und Jordanien".
Spuren des Diktators
Das unermessliche Leid, das Saddam Hussein der Bevölkerung zugefügt hat, ist in Gesprächen mit den Einheimischen allgegenwärtig. Auch viele Bauwerke sind stumme Zeugen seiner Herrschaft des Schreckens, wie z. B. das heutige Museum in Suleymaniyah, das früher als Gefängnis mit Folterkammern diente. Auf dem Innenhof ist eine Sammlung militärischer Fahrzeuge und Panzer zu sehen. Ehemalige Paläste von Saddam Hussein sind zerstört, die Ruinen stehen noch und werden – wenn sie sich an strategisch wichtigen Positionen befinden - für militärische Zwecke genutzt, wie z. B. der Palast auf der Spitze des 2.400 Meter hohen Gara-Bergs, der noch von so vielen Tretminen umgeben ist, dass man tunlichst auf dem Asphaltweg bleibt, der direkt vom Parkplatz (ehemaliger Hubschrauberlandeplatz) zum Palast führt . Eines der schreck-lichsten Geschehnisse gab es in Halabja, das 1988 mit Giftgas - von Deutschen Unternehmen produziert und geliefert - bombardiert worden war. Die beeindruckende Gedenkstätte ist Ziel vieler in- und ausländischer Besucher.
Informationen:
Seit 2009 gibt es in Erbil Generalkonsulat, Goethe-Institut und Deutsche Schule. Gefördert vom Auswärtigen Amt, dem DIHK und dem Goethe-Institut wird das Projekt "Irak-Horizonte 2015" zur "Weiterbildung in Partnerschaft zur wirtschaftlichen Stärkung des Irak" angeboten. (www.iraq-horizons.com.)
Ausführliche Informationen zu Geschichte, Politik und Wirtschaft inkl. Investitionsgesetz findet man auf der Wirtschaftsplattform Irak.
Internet: www.wp-irak.de.
Im September 2010 gründete Dr. Friedbert Pflüger zusammen mit zwei kurdischen Unternehmern aus Großbritannien und Deutschland die KGE Business Alliances GmbH mit Sitz in Berlin und Erbil mit dem Ziel, deutsche und europäische Unternehmen, die in der irakisch/kurdischen Region tätig sind, zu beraten.
(www.friedbert-pflueger.de)
Als Leitfaden für geschäftliche Aktivitäten sei das "Irak Handbuch" empfohlen, herausgegeben von MENA-Projektpartner e. V. (Tel. 030-203081205).
Lufthansa fliegt non-stop von Frankfurt nach Erbil. Das Visum bekommt man am Flughafen Erbil (Stand Ende 2011).