Kuwait – Rückblicke
Besuch im Centre for Research and Studies on Kuwait (CRSK) mit seiner ausgezeichneten Bibliothek und Interview mit Yaqub Yusuf Al-Hijji
Donnerstag, den 21. Juli 2011
Vorstand des Zentrums ist seit vielen Jahren Prof. Abdullah Al-Ghunaim, eine Autorität, wenn es um Informationen suchende Forscher von Universitäten aus aller Welt geht. Ohne die irakische Invasion würde es dieses Zentrum nicht geben. Es wurde im Stadtteil Al Mansoria 1992 gegründet. "Als die Iraker uns angegriffen hatten, versuchten sie zu beweisen, dass Kuwait Teil Iraks ist. Um solchem Gedankengut für immer ein Ende zu setzen, haben unabhängige Historiker, Wissenschaftler und Forscher sich zusammengetan, um CRSK zu gründen. Das Zentrum hat eine Fülle von Literatur zu diesem Thema publiziert", erklärt Prof. Al-Ghunaim. Yaqub Al-Hijji, Autor einer Vielzahl von Fachartikeln und zahlreicher Bücher wie "The Art of Dhau Building in Kuwait" und "Kuwait and the Sea" (Buch über die historische Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft in Kuwait), ist heute Berater im CRSK. Er gilt als Experte, wenn es um das reiche maritime Erbe seines Landes geht.

ARAB FORUM: Wie sah Kuwait City vor 50 Jahren aus?
Yaqub Al-Hijji: Ich habe in der vom Seehandel geprägten Kuwait City gelebt. Vor 50 Jahren war ich 14 Jahre alt, und meine Familie wohnte in einem der Häuser nicht weit vom Strand entfernt. Den Strand säumten Läden für Schiffsbedarf, dahinter standen Wohnhäuser - einstöckige Gebäude aus Korallenstein mit Lehm, Decken aus Stroh und Holz, das aus Afrika importiert wurde. Die Holzbalken waren mit handgefertigten Seilen umwickelt. Von diesen Häusern, die heute über 100 Jahre alt sind, blieben nur wenige übrig, denn die meisten mussten der neuen Corniche weichen. In den Häfen lagen viele Handels- und Fischerdhaus, die Fischerdhaus gibt es heute noch, und sie beliefern nun den großen, modernen Fischmarkt. Früher wurden alle Waren von Irak mit kuwaitischen Dhaus nach Indien und Pakistan transportiert. Nach der Entdeckung des Erdöls in den 1950er Jahren hat sich alles verändert.
ARAB FORUM: Der damalige Mangel an Universitäten veranlasste Sie, Kuwait zu verlassen?
Yaqub Al Hijji: Ja, nach absolvierter Schulzeit in Kuwait ging ich an die American University Beirut und nahm nach meinem Studienabschluss in Geologie ein Stellenangebot als Geologe bei der Grundwasser-Abteilung der kuwaitischen Regierung an. Die schickte mich dann für weitergehende Studien zum Thema Wasserressourcen 1971 zum University College nach London und 1973 zur Ohio Universität in die USA. Schließlich machte ich noch einen Lehramtsabschluss an der Universität Bosten und kehrte 1983 endgültig nach Kuwait zurück, wo ich an der Universität Kuwait bis 1990 Fakultätsmitglied war.
ARAB FORUM: Wie kam es zu Ihrem großen Interesse an der Welt der Dhaus und ihrem Bau?
Yaqub Al Hijji: Im Jahr 1976 habe ich das bekannte Buch "Sons of Sindbad" von Alan Villiers gelesen, ein Klassiker der arabischen Seeabenteuerliteratur. Danach besuchte ich die Dhau-Werften in Kuwait und war beeindruckt von der Kunst des Baus der Dhaus. Die Erbauer dieser Schiffe hatten keinerlei Baupläne, sondern jedes Schiff existierte nur im Kopf des Konstrukteurs. Dies hat seinen Ursprung im 18. Jahrhundert, als Kuwait sich als junger Staat etablierte, mit extremer Abhängigkeit vom Meer, ein Grund für die besonderen Fähigkeiten nicht nur der Erbauer der Dhaus, sondern auch der Dhau-Kapitäne und -Mannschaften. Die in Kuwait gebauten Dhaus waren bekannt für ihre Seetüchtigkeit und Schönheit und waren in allen Häfen im Golf, im Arabischen Meer und im westlichen Indischen Ozean zu Hause. Den kuwaitischen Dhaubauern sind viele Innovationen zu verdanken, denn nach der bewährten Tiefsee-Handelsdhau Baghlah "erfanden" sie gegen Ende des 19. Jh. die wendigere Boum, die zum Symbol der kuwaitischen Präsenz auf allen Dhau-Routen zwischen Arabien, Iran, Indien und Ostafrika wurde. Alle diese Dhaus wurden nicht nur ohne Konstruktionszeichnungen, sondern auch per Hand gebaut. Es gab berühmte Dhaubauer und berühmte Dhaus, bei deren Erwähnung Kenner der Materie noch heute leuchtende Augen bekommen. Damit zusammen hängen die Geschichte des Perlentauchens und der Handel mit Indien und Afrika. Wir haben früher Datteln aus Irak per Dhau nach Indien transportiert und dafür Kleidung, Reis und Holz aus Indien für den Bau weiterer Dhaus importiert. 1930 gab es 166 große Handelsdhaus in Kuwait. Jedes Schiff war 30 bis 40 Meter lang und konnte bis zu 500 Tonnen Ladung aufnehmen. Indien war für uns die Quelle des Lebens, sozusagen unsere Mutter. Leider ist die Tradition des Dhau-Baus in Kuwait lange Vergangenheit.
Auf den Spuren der
Vergangenheit in der Bibliothek
In der großen Bibliothek fallen drei Bücher auf: Das 2005 erschienene Werk "The Kuwaiti Heritage in the Paintings of Ayoub Hussein" hält in 418 Gemälden aus den 1930er und 1940er Jahren die damalige Architektur und das kuwaitische Kulturerbe und seine Originalität fest. Der hoch angesehene Maler ist Jahrgang 1932, war Lehrer und Schuldirektor, hatte sechs große, eigene Ausstellungen zwischen 1974 und 2000, die jeweils vom regierenden Emir eröffnet wurden, und bekam viele internationale Auszeichnungen. Ausschnitte seiner Gemälde befinden sich auf kuwaitischen Banknoten der Serie ab 1994. Optimal ergänzt wird dieses Buch von "Old Kuwait: Memories in Photographs" von Dr. Yaqub Al-Hijji, das 2004 erschien. Gemälde und Fotos zeigen z. B. eine Besonderheit der Architektur einiger Stadtteile von Kuwait: Elegant gestaltete Torbögen, die mit einem Raum über der Straße zwei Häuser miteinander verbanden. Durch die Torbögen passten auch Autos. Auf beiden Seiten waren Mauervorsprünge – beliebte Plätze für einen Plausch im Schatten. "Würde, gepaart mit Armut und Nichtstun, ist ein Merkmal von Kuwait", beschrieb Freya Stark eine solche Szene nach ihrem Besuch in Kuwait 1937. Dank des Foto-Buchs kann man sich vorstellen, wie die 1920 erbaute, 6,5 Kilometer lange Stadtmauer um Kuwait City ausgesehen hat. Sie war aus Lehmziegeln errichtet und diente der Abwehr von Eindringlingen aus der Wüste. Die Mauer hatte 31 gewaltige Türme und vier Tore. Heute sind nur noch die vier Tore übrig, die renoviert wurden. 2006 erschien der Titel "Traditional Female Costumes in Old Kuwait" mit genauer Beschreibung der typischen Merkmale von Gesichtsschleier über Hosen und Kleider bis zu den Schuhen und vielen Details zur Kulturgeschichte. Das Buch enthält viele Fotos von Mädchen und Frauen, die die beschriebenen Kleidungsstücke tragen – ungewöhnlich für einen Golfstaat.
Text und Fotos: Barbara Schumacher