"Oman beeindruckt als moderner Staat"
Interview mit I. E. Angelika Storz-Chakarji, die Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland im Sultanat Oman
Dienstag, 25. Januar 2011

Mit seiner langen Küste zum Indischen Ozean an der Ostseite der Arabischen Halbinsel ist das Sultanat Oman traditionell durch Handel und Weltoffenheit geprägt. Seit der Regierungsübernahme durch Sultan Qabus 1970 hat sich das Land mit schnellen Schritten in die moderne Zeit bewegt. Über den Stand dieser Entwicklung aus deutscher Sicht fragte ARAB FORUM die Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland im Sultanat Oman, I. E. Angelika Storz-Chakarji.
ARAB FORUM: Exzellenz, seit eineinhalb Jahren vertreten Sie die Bundesrepublik Deutschland im Sultanat Oman. Wie würden Sie Ihre Eindrücke aus dem Land zusammenfassen?
Storz-Chakarji: Das Sultanat Oman beeindruckt als moderner Staat, der es versteht, Tradition und Entwicklung in Einklang zu bringen. Mit seiner jungen Bevölkerung (über 80 Prozent der Omani sind unter 35) ist es ein dynamisches Land. Das Sultanat ist weltoffen, es ist das Tor zum Indischen Ozean und nach Arabien – je nach Blickrichtung. Diese Scharnierfunktion prägt das Land. Eine visionäre und friedfertige, moderate, ausgewogene und nachhaltige Politik schafft für Einheimische und Ausländer ein außergewöhnlich positves Umfeld. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der letzten vierzig Jahre ist bemerkenswert und sucht weltweit ihresgleichen. Die Omani dürfen auf das Erreichte zu Recht sehr stolz sein.
ARAB FORUM: Wie ist der Stand der deutsch-omanischen Beziehungen?
Storz-Chakarji: Die deutsch-omanischen Beziehungen sind eng und freundschaftlich. 2012 werden wir das 40-jährige Bestehen unserer diplomatischen Beziehungen feiern können.
Allein im letzten Jahr konnten wir eine deutliche Zunahme omanischer Besucher verzeichnen. Umgekehrt machen die Deutschsprachigen die größte Besuchergruppe in Oman aus. Dies ist eine sehr erfreuliche Entwicklung.
Besonders hervorheben möchte ich unsere wissenschaftliche Zusammenarbeit. Hier besteht großes Potenzial. Mit der GUtech (German University of Technology), einer Kooperation mit der RWTH Aachen, steht uns eine für die Region einzigartige universitäre Einrichtung zur Verfügung. Daneben gibt es Kooperationsprogramme zwischen deutschen und omanischen Universitäten und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Bereich der medizinischen Aus- und Fortbildung. Hamburg hat für Oman eine Vorreiterrolle bei der Facharztausbildung übernommen. Gerade im Bereich des Gesundheitswesens bieten sich zahlreiche Möglichkeiten des Austausches. Die Zahl der Studierenden aus Oman an deutschen Hochschulen wächst, ist aber noch gering. Hier würde ich mir einen intensiveren Austausch wünschen.
Die GTZ (Anm. d. Red.: seit 1.1.2011 aufgegangen in der GIZ, Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) ist seit Jahren im Auftrag der omanischen Regierung erfolgreich im Bereich der Berufsausbildung engagiert.
In einem Pilotprojekt bereiten das Goetheinstitut und das omanische Erziehungsministerium seit dem vergangenen Jahr erstmals omanische Lehrer auf ihren Einsatz als Sprachlehrer für Deutsch an omanischen Schulen vor. Dies ist eine bahnbrechende Entwicklung, über die ich mich besonders freue. Die Kenntnis der Sprache des anderen ist zweifelsohne der Schüssel für eine rasche Vertiefung der Beziehungen. Deshalb würde ich mich auch sehr freuen, wenn umgekehrt junge Deutsche den Weg, beispielsweise zu einem Sprach- oder Studienaufenthalt, nach Oman fänden.
Auch wirtschaftlich haben wir einiges vorzuweisen. In der Vergangenheit haben deutsche Firmen, beispielsweise beim Bau des Straßennetzes, sehr erfolgreich mitgewirkt. Es gibt aktuell eine Reihe deutsch-omanischer, auch mittelständischer Kooperationen, die sich sehr positiv entwickeln. Vielen dürfte im Übrigen nicht bekannt sein, dass die größten deutschen Einzelinvestitionen auf der arabischen Halbinsel in Oman getätigt wurden.
Politisch ist Oman für uns ein verlässlicher Partner. Wir erwarten 2011 einige hochrangige Besucher aus Deutschland.
ARAB FORUM: Die deutsch-omanischen Beziehungen sind weiblich, könnte man sagen, denn nicht nur Deutschland wird in Oman mit Ihnen durch eine Frau vertreten, sondern auch umgekehrt Oman mit einer Botschafterin in Deutschland. Besonders letzteres wundert möglicherweise viele Klischee-Liebhaber. Was ist die gegenwärtige und vor allem zukünftige Rolle der Frauen in Oman, besonders, wenn man berücksichtigt, dass mehr als die Hälfte der Studierenden weiblich ist?
Storz-Chakarji: Häufig werde ich mit Neugier und Erstaunen von deutschen Gesprächspartnern darauf angesprochen, wie ich mich als Botschafterin in Oman fühle und ob ich als Frau nicht einen "schweren Stand" hätte. Es gibt bei uns leider viele falsche Vorstellungen zur Rolle der Frau in meinem Gastland.
Oman ist ein traditionsreiches Land, das behutsam, aber konsequent seine Gesellschaft in die Moderne führt.
Sultan Qabus hat es in seiner richtungsweisenden Rede vom November 2009 auf den Punkt gebracht: Oman benötige Männer und Frauen gleichermaßen. Es ähnele dem Vogel, der beide seiner Flügel brauche, um in die Horizonte des Himmels zu fliegen. Wie würde es der Vogel schaffen, wenn einer seiner Flügel gebrochen sei? Könne er noch fliegen?
In den 40 Jahren der Regierungszeit von Sultan Qabus hat sich die Rolle der Frau in Oman dank seiner gezielten Politik dramatisch verändert. Das Land nimmt in der Region eine Vorreiterrolle ein. Frauen sind Ministerinnen, Botschafterinnen, Wissenschaftlerinnen, erfolgreiche Geschäftsfrauen, Rechtsanwältinnen, Ärztinnen, sie arbeiten aber auch im Supermarkt, fahren selbstverständlich Auto und stellen an manchen Universitäten über 80 Prozent der Studierenden. Berufs- und Familienleben können sie häufig einfacher miteinander vereinbaren als Frauen in der westlichen Welt. Meine Gesprächspartnerinnen sind starke, selbstbewusste Frauen – dies gilt sowohl für die Generation der Mütter, die die "Renaissance" von den Anfängen an erlebt haben, als auch für die vielen jungen Frauen, die die Chancen, die sich ihnen jetzt bieten, bewusst und aktiv ergreifen und nutzen. Zahlreiche Frauen spielen schon jetzt eine wichtige Rolle an Schaltstellen der omanischen Gesellschaft, tun dies aber - und ich glaube, dies ist auch der Schlüssel für die weitere Entwicklung und das Geheimnis des Erfolges - im Bewusstsein der kulturellen und gesellschaftlichen Eigenart ihres Landes.
Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Oman ist ein Land, in dem ich – ebenso wie meine französische Kollegin, denn wir sind zwei Botschafterinnen – beobachten kann, wie politische Vorgaben und insbesondere die gezielte Investition in Bildung entscheidend für die Stärkung der Rolle der Frau in der Gesellschaft sind.
Im Übrigen denke ich, dass wir gut beraten wären, uns von unseren Stereotypen zu befreien.
ARAB FORUM: In welchen Branchen bietet Oman weiteres Potenzial für deutsche Unternehmen?
Storz-Chakarji: Für Deutsche ist das Sultanat ein beliebtes Reiseland – aber es hat viel mehr zu bieten. Wie bereits eingangs erwähnt, haben sich einige deutsche Unternehmen mit beachtlichen Einzelinvestitionen in Oman einen Namen gemacht. Allerdings: das Potenzial, das Oman bietet, wird von uns bei weitem nicht ausgeschöpft. Neben den großen Infrastrukturprojekten, z.B. in den Bereichen Energie, Verkehr – hier denke ich insbesondere an das Eisenbahnprojekt -, Wasser und Abwasser, besteht auf omanischer Seite ein großes Interesse an der Nutzung der Investitionsförderungsmaßnahmen, die ausländischen Unternehmen interessante Konditionen, insbesondere in den neuen Industriezonen bieten. Als drittgrößtes Land auf der arabischen Halbinsel hat Oman einen entscheidenden Vorteil: es verfügt über einen freien Zugang zu den Ozeanen, die Nähe zu den Märkten der Region und in Asien, eine junge und dynamische Bevölkerung, eine lange Tradition als Handelsnation und stabile Verhältnisse. Besondere Chancen bestehen in den Bereichen neue und erneuerbare Energien, Solarenergie, Wasserwirtschaft, Verkehrswesen, Gesundheitswesen, Bildung, insbesondere im Ingenieurwesen und in der Ausbildung von Fachkräften sowie im Bereich der down-stream-Industrien, die vor allem nahe der großen Häfen angesiedelt werden können (Aluminium, Stahl, chemische Produkte etc.). Deutsche Unternehmen sind - dies wird mir immer wieder versichert - höchst willkommen. Sie genießen große Wertschätzung. Wenn sie gleichzeitig Arbeitsplätze schaffen oder junge Omani – wie in dem einem oder anderen Fall sehr erfolgreich geschehen – in Deutschland weiterbilden oder ihnen einen Praktikumsplatz zur Verfügung stellen, wird dies von der omanischen Seite unterstützt. Bildung und Ausbildung sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen haben im Sultanat erste Priorität.
ARAB FORUM: Deutsche Touristen gehören zur größten Gruppe der Oman-Reisenden aus Europa. Was empfehlen Sie als unbedingt sehens- und erlebenswert in Oman?
Storz-Chakarji: Die Schönheit und landschaftliche Vielfalt des Sultanats ist legendär, seine geologischen Formationen sind ein El Dorado für jeden Forscher, aber auch für jeden Fotoliebhaber. Neben der Hauptstadtregion empfehle ich einen Besuch der beeindruckenden Festungs- und traditionellen Bewässerungsanlagen und archälogischen Stätten im Landesinnern (einige sind UNESCO-Weltkulturerbe), eine Fahrt in die atemberaubende Berg- und Wüstenlandschaft - allein die Straßenführung ist ein Erlebnis für sich - , zu den Naturschutzgebieten, um die ungewöhnliche Fauna und Flora kennenzulernen, und einen Ausflug mit dem Schiff – mit etwas Glück wird man von Hunderten von Delphinen begleitet. Das Sultanat ist so groß, dass wohl ein Besuch nicht ausreicht, um seine ganze Vielfalt zu erkunden.
Ein architektonisches Juwel ist die große Moschee in Maskat, deren Besichtigung ich unbedingt empfehle. Das kulturelle Angebot in Maskat wird im Laufe des Jahres mit der Eröffnung des neu erbauten Opernhauses in Maskat eine Erweiterung erfahren. Dieses Haus, das erste Opernhaus in der Region, ist mit modernster Technik, u.a. aus Deutschland, ausgestattet und wird sicherlich neue Möglichkeiten für eine Kooperation zwischen unseren beiden Ländern bieten.
Die Fragen stellte Rainer Schubert