American University of Beirut (AUB)
Universität als Wirtschafts- und Kulturfaktor
Mittwoch, den 17. November 2010

Power – wirtschaftlich und akademisch 48.000 Studenten aus 105 Ländern studieren hier, darunter 1200 aus Europa und 4700 aus den USA und Kanada. Die international renommierte Universität hat viele Führungskräfte und Persönlichkeiten in Bildung, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Gesundheit, Medizin und Kunst hervorgebracht, einige haben es sogar bis zum Parlamentsmitglied, Minister, Premierminister und Präsidenten gebracht. In den über 140 Jahren ihres Bestehens hat die AUB Kriege, Bombardierungen – der den Campus überragende Uhrturm wurde zerstört, aber wieder aufgebaut –, Mord und Totschlag überstanden, aber während aller Konflikte, zuletzt im Juli-Krieg 2006, standen Mitarbeiter, Studenten und Professoren der Bevölkerung hilfreich zur Seite. In der Zeit des Höhepunks des Bürgerkriegs wurden z. B. bis zu 300 Patienten täglich im Notfallbereich des Medizinischen Zentrums behandelt – meist kostenlos.
Für Beirut ist die Universität eine Kraft wirtschaftlicher Stabilität; denn sie gehört im Bereich der Privatwirtschaft zu den Unternehmen, die die meisten Mitarbeiter beschäftigen: 3800 Angestellte erhalten 74 Mio. US-Dollar an Gehältern jährlich, und die Lohnsteuer in Höhe von 3,75 Mio. US-Dolar wird genauso pünktlich bezahlt wie die 6,84 Mio. US-Dollar Sozialversicherung für die Angestellten libanesischer Nationalität. Hinzukommen 460.000 US-Dollar für verschiedene Steuern plus 620.000 US-Dollar Mehrwertsteuer. Während des Bürgerkriegs war die Universität stets geöffnet, und die Angestellten bekamen ihr Gehalt. Seit dem Ende des Bürgerkriegs im Jahr 1990 sind viele libanesische ehemalige AUB-Absolventen in ihr Land zurückgekehrt – ermutigt durch die Uni; denn dort bekamen sie Arbeit. Die AUB gibt jährlich etwa 53 Mio. US-Dollar für Waren aller Art aus – 96 Prozent der Produkte werden bei 1300 einheimischen Firmen gekauft. Auch die Studenten und Besucher leisten ihren Beitrag zur Wirtschaft: etwa 200 US-Dollar pro Monat geben die Studenten für Dienstleistungen aller Art aus (ohne Mieten), wovon viele Unternehmen in der Uni-Nachbarschaft profitieren. Als besonders wichtiger Wirtschaftsfaktor präsentiert sich das Medizinische Zentrum der Universität (AUBMC). 12.000 Patienten jährlich aus der Region lassen sich hier behandeln – durchschnittlich vier Tage lang. Sie werden begleitet von Familienmitgliedern. Diese wohnen in Hotels, besuchen Museen, speisen in den Restaurants der Stadt und nutzen die Gelegenheit für ausgiebiges Einkaufen in den zahlreichen Shopping-Paradiesen Beiruts.

Die AUB ist nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, sondern auch wissenschaftlicher, kultureller und gesellschaftlicher Mittelpunkt von Beirut. Der weiträumige Campus erstreckt sich auf dem heute teuersten Baugrund der Stadt – direkt an der Corniche, in Hanglage mit Meerblick, mit altem Baumbestand in einem gepflegten Parkgelände mit historischen Bauten der einzelnen Fakultäten und einem ultramodernen Sportgelände. Selbstverständlich gibt es einen eigenen Strandabschnitt. Die Tennisanlage mit Clubhaus könnte es mit den feinsten Tennisclubs weltweit aufnehmen. Das zur Universität gehörende Archäologische Museum ist für jedermann geöffnet und kann sich rühmen, die zahlreichen Besucher mit ausgezeichneten Exponaten zu begeistern. Ausländische Besucher stellen irritiert fest, dass die Studenten, die sich untereinander mit der für den Libanon typischen englisch/arabisch/französischen Sprachmixtur "Hi, Kif halek, Salut" begrüßen, auch sonst zwischen den drei Sprachen hin- und her springen. Voreilige westliche Kritiker vermuten schon einen Identitätsverlust, während Studenten und Professoren gleichermaßen auf Nachfrage richtig stellen: "Libanesen sind Sprachgenies, und sie lieben es, ihre Sprachkenntnisse untereinander zu praktizieren. Einem Satz auf Englisch kann ein arabischer, dann ein französischer folgen – zugegeben für Fremdsprachenunkundige eine "Geheimsprache", für die gut ausgebildete Jugend jedoch "Sprachsport", ganz selbstverständlich und einer gewollten Elitebildung geschuldet.
Die Universität gibt zwei professionell gestaltete Zeitschriften heraus: Das vierteljährliche, wirtschaftlich ausgerichtete "Main Gate", das sich mit aktuellen Problemen befasst, wie z. B. mit den Fragen, warum jedes Jahr die Hälfte der akademisch gebildeten libanesischen Arbeitskräfte den Libanon verlässt, um im Ausland zu arbeiten, warum der Prozentsatz der weiblichen Studienabsolventen, die im Ausland arbeiten, sich in den letzten sieben Jahren verdreifacht hat oder warum die Hälfte jeder Generation spätestens im Alter von 59 Jahren das Land verlassen haben wird, wenn man nichts dagegen tut.
Das monatlich erscheinende AUB Bulletin berichtet über die Fülle von Neuigkeiten an der Universität: da werden 300 junge Sportler aus dem ganzen Land von zwei US-amerikanischen Basketballstars eine Woche lang trainiert; es gibt einen Bericht über etwa 750 libanesische Studenten, die pro Jahr ein Stipendium von USAID (United States Agency for International Development) bekommen; stolz wird über die Treffen von AUB's Worldwide Alumni Association (WAAAUB) berichtet, oder es gibt einen Artikel über die Einweihung neuer Gebäude auf dem Campus, wie z. B. im Oktober 2009 die Suliman S. Olayan School of Business, die von bekannten Architekten in moderner Architektur, nahe der Küste gelegen, und vom Namensgeber, dem libanesischen Staatspräsidenten und dem Universitätspräsidenten unter großem Medieninteresse eröffnet wurde. Wegen der vielen, oft öffentlichen Veranstaltungen an der AUB gehen die Themen nie aus. International bekannte Referenten halten Vorträge, wie z. B. Prof. Dr. Christian E. Loeben, Kurator der ständigen Ägyptischen Ausstellung im Kestner Museum in Hannover. "Ägypter schreiben, Libanesen drucken, Iraker lesen" ist ein bekannter Spruch im Libanon, dessen Verlagsindustrie zu der am besten entwickelten in der arabischen Welt gehört. In der Universitätsbibliothek bestimmen die Professoren, welche Bücher angeschafft werden. Fündig wird man auf vielen anderen Gebieten, wie z. B. Architektur in Beirut von 1920 bis 1940. Während es viele Bücher über die traditionelle libanesische Architektur vom 17. Jh. bis zum Ende des 1. Weltkriegs und dem Zusammenbruch des Osmanischen Weltreichs gibt, wurde die Epoche zwischen 1920 und 1940 lange vernachlässigt. Neuerdings engagiert sich die Fakultät für Architektur und Design der AUB bei der Restaurierung alter Häuser aus dieser Zeit in Beirut. Als Grundlage dient der vom Order of Engineers and Architects 1998 herausgegebene ausführliche Band "Domestic Architecture between Tradition and Modernity". Er ist eine wahre Fundgrube für alle, die mehr wissen wollen über die noch heute vorhandene, westlich orientierte Architektur großen Reichtums der Franzosen als Ausdruck der Macht Frankreichs im Orient. Trotz der Kriegszerstörungen sind in Beirut über 100 Gebäude dieser Epoche noch erhalten, und bei Neubauten, z. B. im neuen Stadtzentrum, orientiert man sich an deren Design. Die Fassaden wurden mit Veranden verschiedener Arten, mit Fenstertüren, eisernen Balustraden etc. verschönt.

Die AUB verfügt über eine Vielzahl von Vereinen und Gesellschaften, in denen sich aktive und ehemalige Angehörige der Universität wissenschaftlich, kulturell oder gesellschaftspolitisch betätigen. Eine dieser Gruppierungen ist die Women's League (WL), deren Präsidentin Leila Ghantous mehrfach wiedergewählt wurde. Die WL wurde 1919 von einer Gruppe von Frauen gegründet, unter denen auch die Großmutter des jetzigen Präsidenten der AUB, Peter F. Dorman, war. Seit dieser Zeit verfolgt die WL ihre Ziele, Frauen aus verschiedenen Ländern, die in Politik, Wirtschaft und Kultur engagiert sind, durch das gemeinsame Anliegen wohltätiger Projekte im Libanon und im Nahen Osten zusammenzubringen. Die WL organisiert für die Mitglieder monatliche Kulturveranstaltungen in Beirut oder Ausflüge zu weniger bekannten Zielen im Land, um aus den Erlösen und Spenden Gelder für Stipendien für behinderte AUB-Studenten zu sammeln. Leila Ghantous berichtet engagiert: "Ein Höhepunkt im Jahr 2010 war für die Mitglieder der WL die Einladung der First Lady Wafaa Suleiman, die sich als Präsidentin der National Commission for Women in Lebanon engagiert. Am 7. Juni 2010 konnten wir sie ein zweites Mal begrüßen – zum Anlass unseres jährlichen Gartenfestes, das im Marquand House stattfindet, dem Wohnsitz des AUB-Präsidenten. Wir haben dabei – in Anwesenheit zahlreicher Botschafter, darunter auch der deutschen Botschafterin Birgitta Siefker-Eberle – der First Lady die AUB-Plakette übergeben dafür, dass sie die Frauen des Landes unterstützt, indem sie ihren Status verbessert und ihre Rechte sichert. Außerdem haben wir der AUB einen Scheck über 10.500 US-Dollar für behinderte Stipendiaten übergeben".
Artikel: Barbara Schumacher
Fotos: Barbara Schumacher und AUB