Ramadan in Abu Dhabi
Iftar und Freitagsgebet in der Großen Sheikh Zayed Moschee
Mittwoch, 8. September 2010
Die Große Sheikh Zayed Moschee gehört zu den größten und schönsten der Welt und hat sich zu einer der populärsten Attraktionen der Vereinigten Arabischen Emirate entwickelt. Benannt ist die Moschee nach dem Gründer der Emirate, Sheikh Zayed bin Sultan Al Nahyan. In der Architektur der Moschee, die er noch zu Lebzeiten maßgeblich geprägt hat, wie alte Modelle zeigen, spiegeln sich traditionelle und moderne islamische Elemente hinsichtlich Bautechnik und Design. Kunsthandwerker aus vielen verschiedenen Ländern haben zur Gestaltung der Moschee beigetragen. Zu ihren Prunkstücken gehören sieben riesige Kronleuchter mit insgesamt über einer Million Swarowski-Kristallen, der größte handgewebte Teppich der Welt, der von 1200 Teppichwebern in Mashhad (Iran) angefertigt wurde und phantasievolle Einlegearbeiten in den Marmorböden des Moschee-Innenhofs und der Arkaden, den vielen Säulen in den Arkadengängen und den Moscheewänden, sowie die kunstvolle Gestaltung der Glasfenster und Türen innerhalb der Moschee. Nie zuvor war die Moschee seit ihrer Eröffnung Anziehungspunkt für so viele Gläubige wie Ramadan 2010.
Es ist der 2. September. In der Gluthitze des Tages, die auch am späten Nachmittag unverändert herrscht, nähert sich die rote Sonne dem Horizont – hinter der Kulisse des neben der Moschee gelegenen, von Palmen umgebenen Mausoleums von Sheikh Zayed. Zu dieser Stunde sind in der Stille die ununterbrochenen, nie endenden Rezitationen aus dem Koran, die im Innern des Mausoleums live vorgetragen werden, besonders gut zu hören. Es duftet nach frischen Blüten, obwohl weit und breit keine Blumen oder blühenden Büsche zu sehen sind.

Aus allen Richtungen steuern volle Busse die Parkplätze am Fuß der Moschee an. Sie bringen Männer einer Vielzahl von Nationalitäten, vor allem Inder und Pakistani, die nach einem heißen Tag schwerster Arbeit auf den unzähligen Baustellen der Stadt den Moment des Fastenbrechens herbeisehnen. Sie kommen, um gemeinsam das Iftar-Mahl einzunehmen das während Ramadan jeden Abend hier vom Präsidenten des Landes, Sheikh Khalifa bin Zayed Al Nahyan, gespendet wird. Während Ramadan das Iftar-Mahl für die Armen zu spenden, ist eine Tradition, die an vielen Orten in der islamischen Welt praktiziert wird. In den Emiraten hat Sheikh Zayed bin Sultan Al Nahyan sein Leben lang danach gehandelt, und in gewisser Weise dienen die Iftar-Mahlzeiten auf dem Gelände der Moschee als eine weitere Gelegenheit, an sein Leben und die von ihm geschätzten Traditionen zu erinnern. Seit Beginn des Ramadan haben bereits 450.000 Menschen den Weg hierher gefunden und in riesigen, klimatisierten Zelten auf dem Außengelände der Moschee ihr Mahl eingenommen. Zum Ende des Ramadan werden es über 750.000 Menschen sein. Für Ordnung und Disziplin sorgen Polizisten, deren Aufgabe es ist, innerhalb kurzer Zeit täglich 20.000 bis 30.000 Menschen in die Zelte zu leiten. Dort stehen auf langen Plastikbahnen kleine Türmchen: jeweils ein großer Karton mit Essen, darauf ein Plastikbehälter mit gemischtem Salat, darauf eine Tüte Milch. Sollten die Plätze in den Zelten nicht ausreichen, dann sorgen über 300 Helfer dafür, dass in einer unglaublichen Geschwindigkeit die vor den Zelten ausgelegten grünen Teppiche mit weiteren Plastikbahnen bedeckt werden, auf denen dann zusätzliche Essensrationen, an denen es keinen Mangel gibt, verteilt werden. Schweigend nehmen die Männer in den Zelten am Boden Platz, die Essenskartons markieren die Plätze. Die Zelte füllen sich im Rekordtempo, auch die Außenplätze werden in Anspruch genommen. Um 18:42 Uhr ist es soweit: die Sonne geht unter, und die Kartons dürfen geöffnet werden. Sie enthalten Harisa, traditionelles arabisches Essen mit Fleisch oder Huhn und Reis. Die Arbeiter tragen ihre nationalen Gewänder aus Indien oder Pakistan, manche kommen in Hose und Hemd oder T-Shirt. Nach Nationalität oder Religionszugehörigkeit wird niemand gefragt, alle sind willkommen. Die Stille ist ergreifend, die Arbeiter scheinen zu wissen, dass die Iftar-Mahlzeit hier im Gedenken an Sheikh Zayed zelebriert wird, und sie sind bescheiden und dankbar. „Das Geld, das ich für Essen während Ramadan und Eid sparen kann, schicke ich meiner Familie nach Indien“, so einer der Arbeiter. Sein Kollege aus Pakistan will das Gleiche für seine Familie tun. Die wenige Frauen, die hierher kommen, haben ihr eigenes Zelt.

Während die Arbeiter in die Zelte strömen, empfangen unter der Leitung von Talal Al Mazrouei, Director of Events & Cultural Activities des Sheikh Zayed Grand Mosque Centre, rund vierzig in Teilzeit arbeitende, studentische emiratische Helferinnen und Helfer, die den ganzen Tag über Moscheeführungen für die Besucher (um 10, 11 und 17 Uhr) durchgeführt, Abayas an die westlichen Touristinnen und viele Fragen der Besucher nach der Architektur der Moschee im Besonderen und Islamische Kunst und Kultur im Allgemeinen beantwortet haben, in einem Vorraum der Moschee als Auszeichnung für ihre Arbeit geladene Gäste. Die nutzen das offene Portal, um die zu dieser Zeit leere Moschee mit ihrer prachtvollen Ausstattung, Minbar und Mihrab zu besichtigen. Die Erklärungen der Gastgeber bestätigen: der Kontakt mit ihnen ist für die Besucher ein Erlebnis, denn durch das spezielle Training und die Vorbildung, die sie mitbringen, sind sie die perfekten Wissensträger. „Wir wollen in Zukunft während Ramadan spezielle Bildungsprogramme in der Moschee anbieten“, ist zu erfahren. Zu Beginn der Iftar-Mahlzeit (Iftar=Frühstück) biegen sich die runden Achter-Tische fast unter der Last der Speisen: neben der großen, in der Mitte stehenden Platte mit Fleisch und Reis stehen unzählige Schälchen mit Salat, Humus, Gemüse, exotischen Früchten und Platten voller Schokoladenkuchen und in Schokolade getauchte Erdbeeren. Nachdem der erste Hunger gestillt ist, nutzen die Gäste die Gelegenheit, sich in dem Raum umzusehen, der in der Ausstattung auf Architektur und Design der Moschee einstimmt, um mit den Gastgebern ins Gespräch zu kommen. Die Fragen drehen sich dem Anlass entsprechend um die Moschee, Ramadan und Iftar. „Warum sind die die Moschee umgebenden Wasserbecken, in deren Wasser sich das gesamte Gebäude spiegelt – tags und nachts ein wunderschöner Anblick – derzeit nicht mit Wasser gefüllt?“ – „Weil während Ramadan das Gedränge so groß ist, dass sich viele Gläubige aus Zeitgründen in diesem Wasser waschen würden, anstatt die dafür vorgesehenen Einrichtungen zu nutzen“.
Eine Stunde später ist es dunkel. Alle Arbeiter haben die Zelte verlassen und steigen in ihre Busse, den Blick wie gebannt auf die nun taghell erleuchtete Moschee gerichtet. Auch die Gäste des Iftar-Mahls in der Moschee können den Blick nicht von der Moschee lassen, die einem märchenhaften Traumgebilde aus 1001 Nacht gleicht. Polizei und Helfer atmen auf: wieder ist ihre organisatorische Meisterleistung rund um die Zelte geglückt. Auch die Abfahrt der Busse erfolgt reibungslos.
Am nächsten Tag ist die Moschee Ziel der Muslime, die hier am Freitagsgebet um 12:30 Uhr teilnehmen möchten. Das klimatisierte Innere der Moschee ist bei den im Freien herrschenden 48 Grad im Schatten besonders gefragt, es füllt sich in rasantem Tempo. Die in gleißendes Licht der Mittagssonne getauchte Marmorfläche im Innenhof der Moschee ist fast leer. Die Gläubigen bewegen sich im Bereich der weiträumigen, säulengeschmückten, schattigen Arkaden, begeben sich für die rituellen Waschungen in die unteren, mit Rolltreppen erreichbaren Gewölbe des Moscheegeländes und legen ihre Gebetsteppiche dann im Arkadenbereich aus, der sich schnell füllt. Dicht an dicht drängen sich die Gläubigen zum Gebet, bis der gesamte Arkadenraum, der den Innenhof der Moschee umgibt, bis auf den letzten Platz besetzt ist. Nach Ende des Freitagsgebets verlassen rund 40.000 Gläubige auf einmal die Moschee. Die Polizei ist rechtzeitig zur Stelle und regelt den Verkehr, der ohne Probleme von der Moschee abfließt.
Artikel und Fotos von Barbara Schumacher