"Oman hat seine Türen immer geöffnet"
Interview mit I. E. Dr. Zainab Ali Said Al-Qasmiah,
Botschafterin des Sultanats Oman in Deutschland
Dienstag, 25. Dienstag 2011
Mit der Regierungsübernahme durch Sultan Qabus 1970 begann die Entwicklung des modernen Oman. Im November 2010 feierte das Sultanat den 40. Jahrestag dessen, was die Omanis ihre "Blessed Renaissance" nennen. Deutschland gehört zu den bedeutendsten Partnern Omans in Europa. ARAB FORUM sprach mit I. E. Dr. Zainab Ali Said Al-Qasmiah, Botschafterin des Sultanats Oman in Deutschland, über die bemerkenswerte Entwicklung und die Zukunft ihres Landes.
ARAB FORUM: Exzellenz, was sind die Gründe und die wesentlichen Ergebnisse der erfolgreichen Renaissance in Oman?
Dr. Al-Qasmiah: Die letzten vierzig Jahre heißen: moderner Oman, und wenn wir modern sagen, meinen wir, dass die Infrastruktur nahezu vollständig hergestellt ist. Wir haben Straßen und Kliniken gebaut, ein ordentliches Gesundheitssystem und Bildung für alle ermöglicht, was die Regierung übrigens kostenfrei bietet. Ebenso gibt es Stipendien für das Grund- und Hauptstudium und für Promotionen. Darüber hinaus verfügen wir über ein Gerichts- und Versicherungssystem. Alles das gab es vor vierzig Jahren nicht und hat zu dem geführt, was wir heute das moderne Oman nennen.
ARAB FORUM: Was sind Omans Ziele für die nächsten Jahrzehnte?
Dr. Al-Qasmiah: Unsere human resources gehören zu den ersten Prioritäten Seiner Majestät und seiner Regierung. Seit Jahrzehnten arbeiten wir an "Oman 2020". Wir haben also eine Vision für unser Land bis 2020. Dazu gehören die Gründung technischer Hochschulen, einer Finanzhochschule und Projekte der beruflichen Bildung.
ARAB FORUM: Oman genießt wegen seiner Toleranz und seiner guten Beziehungen zu allen Nachbarländern großen Respekt. Welche Prinzipien und Erfahrungen haben zu dieser Politik geführt?
Dr. Al-Qasmiah: Wir respektieren die uns umgebenden Länder als unsere Nachbarn, als unabhängige Staaten, mit denen wir gute Beziehungen unterhalten. Wir mischen uns niemals in ihre inneren Angelegenheiten ein. Umgekehrt respektieren wir die Tatsache, dass sie sich nicht in unsere Angelegenheiten einmischen. Oman ist bekannt dafür, Meinungsunterschiede durch Verhandlungen zu lösen. Oman hat sich immer darum bemüht, Zwist durch Gespräche und Diplomatie auszuschalten.
Als Land am Indischen Ozean können wir unsere historischen Beziehungen nicht außer Acht lassen, die wir seit Jahrzehnten mit Ländern wie China, Pakistan, Indien und in Ostafrika unterhalten. In alle diese Länder sind omanische See- und Kaufleute weither von unseren Küsten hingereist.
ARAB FORUM: Die arabischen Länder und besonders die Staaten des Golfkooperationsrates (GCC) modernisieren ihre Volkswirtschaften und Gesellschaften in hohem Tempo. Welchen speziellen Weg der Modernisierung hat Oman gewählt?
Dr. Al-Qasmiah: Unser geschichtlicher Hintergrund und unsere Erbe sollten immer präsent sein. Die Omanis sollten sich ihres historischen Erbe immer bewusst sein und es betonen. Dies ist ein Weg zur Verknüpfung mit dem modernen Alltagsleben. Um die Bedeutung des Erbes Omans zu zeigen, haben wir Burgen, Festungen und traditionelles Handwerk erhalten. Es wäre ungerecht, alles dies zu vernachlässigen. Wir versuchen, neueste Technologien zu fördern und in unser Erbe einzubinden, auf das wir stolz sind, damit die Menschen ihr Handwerk, in dem sie arbeiten, besser, moderner und schneller ausüben können. Vor etwa zehn Jahren hat die Regierung eine Behörde für das Handwerk gegründet. Eine ihrer Hauptaufgaben ist, jungen Omanis beizubringen, Schmuck, Textilien und sogar traditionelle Schiffe herzustellen, um die für Oman wichtige Handwerkskunst zu pflegen und vor dem Verschwinden zu bewahren.
ARAB FORUM: Wie wird die Rolle der Frau im zukünftigen Oman aussehen?
Dr. Al-Qasmiah: Frauen handeln Hand in Hand mit ihren Brüdern, Vätern, Ehemännern und Kindern. Wir sind ihnen immer am nächsten und sie uns. Die omanischen Männer unterstützen die Frauen Omans sehr. 49 Prozent der Schüler von der ersten bis zur zwölften Klasse sind weiblich, mitunter ist der Anteil der Frauen sogar höher als der der Männer. Mädchen haben den Wettbewerb auf zahlreichen Gebieten aufgenommen. Frauen können nicht nur im Bildungs- und Gesundheitswesen mithalten, sondern auch im Ingenieurwesen und anderen herausfordernden Bereichen mit traditionell männlicher Dominanz.
ARAB FORUM: Ist es auch als Botschaft zu verstehen, dass Sie als Frau Ihr Land in Deutschland vertreten, um zu zeigen, dass Frauen, im Gegensatz zu westlichen Stereotypen, Teil der omanischen Gesellschaft sind?

Dr. Al-Qasmiah: Bereits vor zehn Jahren wurde die erste Frau als Botschafterin ernannt, und zwar für das Königreich der Niederlande. Sie hat ihr ganzes Leben als Berufsdiplomatin gearbeitet. Seit den frühen 1970er Jahren betrachten wir Frauen als integralen Bestandteil der omanischen Gesellschaft. Damals wurde die erste Gesellschaft für Frauen in Oman gegründet. Es bedarf dazu keiner Botschaft nach außen. Wir haben im Land selbst genug bedeutende Beispiele. So gibt es im Kabinett Ministerinnen und stellvertretende Ministerinnen, Frauen als Manager und Richter, im Bildungs- und Sozialwesen und Ingenieurinnen in den kommunalen Verwaltungen.
Ihr Eindruck mag von dem Umstand herrühren, dass ich eine der ersten Botschafterinnen in Deutschland aus der arabischen Welt bin. Wir haben Botschafterinnen bei der UNESCO, in den Niederlanden und Washington.
ARAB FORUM: Oman bietet einen gut entwickelten Tourismus und genießt ein sehr positives Image. Auf welchen Grundprinzipien fußt der omanische Tourismus? Ist es dabei ein Nachteil, dass größere Teile des Landes Wüste sind?
Dr. Al-Qasmiah: Oman hat seine Türen immer für Touristen aus aller Welt geöffnet, vorausgesetzt sie haben Respekt vor omanischer Tradition und Gebräuchen und davor, dass wir ein arabisches und islamisches Land mit eigenen Sitten sind. Touristen sind überall willkommen. Oman hat sich schrittweise dem Tourismus zugewandt. Die Vielfalt der Landschaft ist überraschend. Es gibt Wüste, Gebirge und das Meer. Überall findet man ein sauberes, ruhiges und friedliches Land - ein guter Ort zum Entspannen.
Der größte Teil Omans besteht aus Wüste. Das heißt aber nicht, er ist vernachlässigt. Der Abwechslungsreichtum unserer Geographie war nie ein Problem für uns, um in der Wüste, in den Bergen oder an der Küste zu wohnen. In vielen Wüstengegenden fördern wir unser Öl, so dass man dort moderne Städte findet, die dort aufgrund der Ölfunde entstanden sind.
ARAB FORUM: Wie bedeutsam ist Deutschland für Omans Wirtschaft und für die Zukunft? Wo liegen aus omanischer Sicht die wesentlichen Felder der Zusammenarbeit?
Dr. Al-Qasmiah: Oman unterhält seit 1972 diplomatische Beziehungen mit Deutschland. Unsere Länder erfreuen sich stabiler Beziehungen. Seit 1978 gibt es die Gemischte Deutsch-Omanische Wirtschaftskommission, in der alle zwei Jahre in Deutschland oder Oman bilaterale Fragen diskutiert werden. Seit den 1970er Jahren sind deutsche Unternehmen in Oman aktiv. Die größte deutsche Investition im Mittleren Osten befindet sich in Oman, ein 500 Millionen US-Dollar-Projekt in Sohar. Im April 2010 ist ein Investitionsschutz- und -förderabkommen in Kraft getreten.
Wir arbeiten mit zunehmender Intensität im Bildungswesen zusammen. Wir bieten Stipendien für Deutsche, um in Oman zu studieren, wie wir ebenso Omani anbieten, in Deutschland zu studieren. Beides nimmt zu. Es gibt Memoranda of Understanding, um die Zusammenarbeit mit einigen Länderregierungen im Gesundheitswesen zu verstärken.
Europäischen Touristen kommen überwiegend aus Deutschland und Großbritannien. Oman Air wird in Deutschland ein drittes Ziel anfliegen. Mit der German University of Technology ist die erste deutsche Universität in der Golfregion entstanden. Omans Bildungsministerium hat kürzlich eine Vereinbarung unterzeichnet, wonach omanische Lehrer Deutsch in omanischen Schulen unterrichten. Ebenso wurde bekannt gegeben, dass nach Arabisch und Englisch Deutsch in den Schulen als dritte Fremdsprache angeboten wird.
Im medizinischen Bereich reisen viele omanische Patienten zur Behandlung nach Deutschland. Deutsche Erzeugnisse genießen einen guten Ruf in Oman. Überhaupt nutzen die Omani sehr gern deutsche Produkte.
Wir versuchen, alle Regionen gleichmäßig zu berücksichtigen. Wo immer sich eine Chance bietet, die Beziehungen zu Deutschland zu verbessern, sei es auf Bundes- oder Länderebene, unterstützen wir das.
Das Interview führte Rainer Schubert