"Qualitativer Sprung in den Beziehungen mit Deutschland"
Interview mit dem Botschafter des Staates Kuwait,
S. E. Dr. Musaed Al-Haroun.
Donnerstag, 1. Juli 2010
Viel beachtet wurde der Besuch S.H. Scheich Sabah Al-Ahmad Al-Jaber Al-Sabah, Emir des Staates Kuwait, Ende April. Damit kam das Staatsoberhaupt des arabischen Landes nach Deutschland, das über die längsten Erfahrungen als Investor in Deutschland verfügt. Über die Wirkungen dieses Staatsbesuchs, die Zukunftspläne Kuwaits und seine Rolle im Arabischen Golf befragte ARAB FORUM den Botschafter des Staates Kuwait, S. E. Dr. Musaed Al-Haroun.
ARAB FORUM: Exzellenz, Ende April besuchte S.H. Scheich Sabah Al-Ahmad Al-Jaber Al-Sabah, Emir des Staates Kuwait, Deutschland. Welche neuen Impulse sind von diesem Besuch für die deutsch-kuwaitischen Beziehungen ausgegangen?
Dr. Al-Haroun: Dem Besuch S. H. Scheikh Sabah Al-Ahmad Al-Jaber Al-Sabah kommt deshalb ein historischer Rang zu, weil dies sein erster in der befreundeten Bundesrepublik Deutschland war. Somit war dieser Besuch für die Intensivierung der gemeinsamen Beziehungen, die Vertiefung unseres Verständnisses und für den Meinungsaustausch über regionale und internationale Probleme, die beide Seiten interessieren, von Bedeutung.
Bei dieser wichtigen Begegnung wurden Grundlagen für die vertiefte weitere Zusammenarbeit zwischen Kuwait und Deutschland festgelegt. Es wurden Vereinbarungen zur Intensivierung der bilateralen Beziehungen in politischen Angelegenheiten und auf den Gebieten des Umweltschutzes, der Medizin, des Tourismus und des Luftverkehrs geschlossen.
ARAB FORUM: Kuwait hat die längsten Erfahrungen unter den arabischen Ländern als Investor in Deutschland. Welche weiteren Investitionen sind zu erwarten bzw. für welche Branchen interessiert sich Kuwait am meisten?
Dr. Al-Haroun: Kuwait ist in der Tat der erste arabische Staat, der in Deutschland, und zwar seit 1974, investiert und ist heute einer der großen privaten und staatlichen Investoren in Deutschland.
Wir sehen viele Möglichkeiten und Bereiche, die man zwischen beiden Ländern entwickeln kann, vor allem weil Kuwait beabsichtigt, im Rahmen seines Fünfjahresplans große Projekte in Infrastruktur, Gesundheit und Elektrizitätswirtschaft zu verwirklichen. Dies vergrößert die Investitionsmöglichkeiten in beide Richtungen.
Außerdem bestehen etliche Chancen für gemeinsame kuwaitisch-deutsche Investitionen, um die Entwicklung in anderen Regionen der Welt zu unterstützen. Kuwait ist eines der führenden Länder bei der Konzipierung und Verwirklichung wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungsprogramme. Wir haben 1961 als erstes Entwicklungsinstitut des Mittleren Ostens den Kuwait Fund for Arab Economic Development mit der Aufgabe für die Verwaltung der finanziellen und technischen Hilfe für die Entwicklungsländer gegründet,
Der Kuwait Fund arbeitet inzwischen mit über 100 Ländern in allen Teilen der Welt zusammen. Dies zeigt, dass die Möglichkeiten und Gelegenheiten bilateraler Zusammenarbeit sehr groß sind und sich auf viele Gebiete erstrecken.
Kennzeichnend für Kuwait ist auch seine ausgezeichnete strategische Lage, deren geographische und historische Vorzüge das Land zu einem wichtigen Tor in benachbarte Märkte machen, in denen sich Investitionsmöglichkeiten abzeichnen, von denen alle profitieren können.
ARAB FORUM: Zum Zeitpunkt des Besuchs S. H., des Emirs, waren Sie gerade einmal eine Woche im Amt, so dass ihre Dienstzeit in Deutschland einen eindrucksvollen Start hatte. Welche Aufgaben haben Sie sich für Ihre Zeit als Botschafter vorgenommen?
Dr. Al-Haroun: Ich hatte die Ehre, meine diplomatische Arbeit in der Bundesrepublik Deutschlands mit der Vorbereitung sowie der Durchführung dieses historischen Besuches zu beginnen. Zweifelsohne, Deutschland hat infolge seiner wirtschaftlichen Stärke und seiner Rolle als Hauptmotor des europäischen Projekts ein großes politisches Gewicht in allen internationalen Gremien erlangt. Nach der Wiedervereinigung ist die internationale Verantwortung Deutschlands gestiegen. Sie beschränkt sich nicht mehr auf finanzielle Hilfe und Beteiligung. Deutschland nimmt eine politisch international wirksame Rolle ein und ist militärisch in vielen Regionen der Welt präsent.
Anderseits ist Deutschland Ziel kuwaitischer Auslandsinvestitionen und zugleich ein wichtiger Exporteur in die kuwaitischen Märkte.
Mein Land in Deutschland zu vertreten wird mir den geeigneten Rahmen bieten, die deutsche Gesellschaft aus der Nähe, die Art und Weise der Verwaltung und den Umgang mit verschiedenen Problemen kennen zu lernen. Dies wird sicherlich helfen, das wesentliche Ziel meiner diplomatischen Aufgabe zu verwirklichen, das darin besteht, Brücken zu bauen und das Verständnis und die Bindungen zu vertiefen.
ARAB FORUM: Welche Möglichkeiten hat Kuwait, in Deutschland und Europa seiner Haltung zur Entwicklung im Irak und im Iran Geltung zu verschaffen?
Dr. Al-Haroun: Wir schätzen und begrüßen die deutsche Hilfe beim Wiederaufbau Iraks und bei der Festigung seiner Stabilität ebenso wie Deutschlands intensive Bemühungen, eine diplomatische Lösung im iranischem Atomstreit zu erreichen und eine militärische Konfrontation zu verhindern, die die ganze Region in eine gefährlichen Lage versetzen und in eine unvorhergesehene Auseinandersetzung hineinziehen würde.
Kuwait unterhält sehr gute Beziehungen mit dem Iran und ist bestrebt, die diplomatischen Bemühungen weiterzuführen, um eine friedliche Lösung des Nuklearstreits ohne militärische Aktion gegen den Iran zu beenden, da eine solche Aktion für alle eine Katastrophe bedeuten würde.
Gleichermaßen unterhält Kuwait gute Beziehungen zum Irak und allen irakischen Parteien. Wir sehen, dass die Stabilisierung im Irak davon abhängt, eine starke Regierung zu bilden, in der alle Schichten und Gruppen des Landes repräsentiert sind.
ARAB FORUM: Ihre Ausbildung und Ihre berufliche Laufbahn weisen Sie als Bildungsexperten aus. Sie waren u. a. Minister für Bildung und Hochschulwesen. Werden Bildungsfragen einen Schwerpunkt Ihrer Arbeit als Botschafter in Deutschland sein?

Dr. Al-Haroun: Die Beziehungen zwischen Staaten sind vielfältig und verschiedenartig. Man kann sie nicht auf ein Thema beschränken und andere Seiten und Aspekte vernachlässigen. So etwas wird auch nicht erwartet.
Bis heute konnten wir einen qualitativen Sprung in den Beziehungen mit Deutschland erreichen, der sich auf verschiedenen Gebieten widerspiegelt.
Die Frequenz der Besuche offizieller Persönlichkeiten aus beiden Ländern hat zugenommen. Eine kuwaitisch-deutsche Wirtschaftskommission wurde eingerichtet, um die Zusammenarbeit in der Wirtschaft und um Investitionen voranzutreiben und zu beleben.
Es sind weitere Anstrengungen notwendig, um die Beziehungen in einigen wichtigen Bereichen voranzubringen, besonders in Wissenschaft und Kultur. Hier sind noch weitere Entwicklung und Unterstützung notwendig. Zurzeit qualifizieren sich kuwaitische Ärzte an deutschen Universitäten und Krankenhäusern
ARAB FORUM: Kuwait hat umfangreiche und ehrgeizige Programme zum weiteren Ausbau seines Gesundheitswesens in Angriff genommen. Wo liegen die Schwerpunkte und wo bestehen gute Chancen für die deutsche Gesundheitswirtschaft?
Dr. Al-Haroun: Das kuwaitische Gesundheitsprogramm will den Standard der Gesundheitsleistungen verbessern, eine Krankenversicherung installieren und Technologien bei der Informationssammlung und Diagnostik besser nutzen.
Das Programm ermöglicht der Privatwirtschaft, sich an Gesundheitsleistungen zu beteiligen. Sie kann dabei von den Erfahrungen anderer Länder profitieren.
Natürlich bietet das Gesundheitsprogramm Gelegenheiten der Zusammenarbeit mit Deutschland und vom deutschen Gesundheitssystem zu lernen. Kuwait ist gewillt, die Beziehungen auf dem Gebiet der Medizin mit Deutschland zu entwickeln und von den deutschen Erfahrungen zu profitieren, um die bestehenden Gesundheitsleistungen in Kuwait zu verbessern. Diese fand seinen Ausdruck durch den Besuch des kuwaitischen Gesundheitsministers Dr. Hilal Al-Sayer in Nordrhein- Westfalen Ende Oktober letzten Jahres, bei dem er die Verantwortlichen im Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales traf. Dabei wurde vereinbart, die Zusammenarbeit in der Gesundheitswirtschaft zu intensivieren, indem Patienten in Krankenhäusern Nordrhein-Westfalens behandelt und Praktika für kuwaitische Ärzte durchgeführt werden sowie gegenseitige Besuche von Ärztedelegationen stattfinden.
ARAB FORUM: Insgesamt möchte Kuwait in den nächsten fünf Jahren etwa 120 Milliarden US-Dollar investieren Welche Ziele verfolgt dieses ehrgeizige Entwicklungsprogramm?
Dr. Al-Haroun: Der kuwaitische Fünfjahresplan ist darauf gerichtet, Kuwait in ein Finanz- und Handelszentrum umzuwandeln, das Investitionen anzieht. Der Plan sieht eine Mischung aus Staats- und Privatwirtschaft vor, um Wettbewerb und Produktivität zu fördern und um für eine menschengemäße und ausbalancierte Entwicklung zu sorgen.
Die wichtigsten strategischen Ziele des Plans sind:
die Produktivität zu steigern und zu diversifizieren.
Mechanismen und Systeme, die die Privatwirtschaft unterstützen und anspornen, zu verankern, die Entwicklung der Menschen zu verwirklichen und Arbeitsplätze zu schaffen, wissenschaftliche Forschung und technologische Entwicklung zu unterstützen und zu erweitern.
Das Interview führte Rainer Schubert