"Deutsche Fachkompetenz
hoch geschätzt"
Interview mit dem Botschafter der Republik Irak,
S. E. Dr. Hussain M. Fadhlalla Alkhateeb
Mittwoch, 17. November 2010
Der Irak ist ein reiches Land - in jeder Beziehung. Es verfügt über die drittgrößten Ölvorräte weltweit. Zum anderen verspricht der Wiederaufbau nahezu der gesamten Infrastruktur des Landes Kooperationsmöglichkeiten auf allen Gebieten der Wirtschaft. Dabei ist Deutschland durch seinen traditionell guten Ruf ein besonders geschätzter und willkommener Partner. Schließlich ist das Zweistromland als Wiege der Zivilisation reich an Kultur. Dies bietet weitere Chancen der Zusammenarbeit. ARAB FORUM sprach dazu mit dem Botschafter der Republik Irak, S. E. Dr. Hussain M. Fadhlalla Alkhateeb.
ARAB FORUM: Exzellenz, seit wenigen Monaten sind Sie im Amt. Worauf werden Sie den Schwerpunkt Ihrer Arbeit als irakischer Botschafter in Deutschland legen?
Dr. Alkhateeb: Als Botschafter meines Landes habe ich drei Aufgaben: die freundlichen und historischen Beziehungen zwischen dem Irak und Deutschland auf allen Gebieten zu fördern und auszuweiten, die Interessen meines Landes wahrzunehmen und voranzubringen und für die irakische Gemeinschaft in Deutschland da zu sein. Seit dem ersten Tag in meinem Amt arbeite ich daran, diese Ziele zu erfüllen, und ich werde keine Mühe und Zeit scheuen, dies fortzusetzen.
ARAB FORUM: Die Regierungsbildung in Bagdad dauert bereits einige Zeit. Ist dies ein normaler Vorgang im Prozess des Nation Building der neuen Demokratie Iraks?
Dr. Alkhateeb: Es ist Teil des Aufbaus und der Entwicklung der jungen Demokratie in meinem Land. Die Iraker lernen Neues mit jeder Wahl, die in unserem Land stattfindet, und die Demokratie vertieft ihre Wurzeln. Die Politiker sehen sich neuen Herausforderungen gegenüber und lernen, sie zu bewältigen. Sie überbrücken ihre Differenzen auf zivilisierte Weise durch Dialog, auch wenn das Zeit kostet. Sicherlich, Zeit ist kostbar, und eine Regierung sollte so schnell wie möglich gebildet werden, aber am wichtigsten ist, dass alle Parteien sich anstrengen, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, die alle Iraker repräsentiert. Auch in einigen europäischen Ländern mit einer entwickelten und etablierten Demokratie gibt es gegenwärtig Fälle, in denen die Regierungsbildung einige Monate dauert.
ARAB FORUM: Vertreter der Regierung und der Geschäftswelt Iraks betonen immer wieder, dass Deutschland der bevorzugte Partner für den Wiederaufbau der irakischen Wirtschaft sei. Warum gerade Deutschland?
Dr. Alkhateeb: Die irakisch-deutschen Beziehungen sind alt und von hohem Wert. Deutsche Produkte und deutsche Fachkompetenz werden im Irak hoch geschätzt und sind beliebt. Politisch ist Deutschland immer ein Freund gewesen mit geachtetem internationalen Ansehen und Einfluss. Alle Iraker habe eine gute Meinung über die Absichten der deutschen Regierung und Unternehmer. Sie sind Freunde und zuverlässige Partner.

ARAB FORUM: Aber wie aktiv sind die Deutschen? Unternehmen aus anderen europäischen und ostasiatischen Ländern sind in Ihrem Land sehr präsent. Sind die Deutschen zu zögerlich?
Dr. Alkhateeb: Deutsche Unternehmer haben begonnen, den irakischen Markt zu erkunden, indem sie der positiven Entwicklung vor Ort nachspüren. Einige machen Geschäfte im Irak, aber nicht im erwarteten Umfang. Unternehmer aus anderen Industrieländern sind schon zur Stelle mit Projekten und Produkten aller Art, während die Deutschen gerade begonnen haben. Meine Regierung und ich wünschen gewiss mehr wagemutige und wesentliche Schritte deutscher Unternehmen und Investoren auf dem irakischen Markt.
ARAB FORUM: Zumeist ist der politische und wirtschaftliche Aspekt gemeint, wenn vom Wiederaufbau Iraks die Rede ist Aber was geschieht mit dem Wiederaufbau des enormen Kulturerbes Iraks? Ist Deutschland auf diesem Gebiet ein hilfreicher Partner?
Dr. Alkhateeb: Wenn man vom irakischen Kulturerbe spricht, spricht man vom Kulturerbe der Menschheit. Daher ist dessen Erhaltung und Bewahrung eine universale Verantwortung. Iraks Kulturerbe hat in der letzten Zeit gewaltig gelitten. Diebstahl und Verkauf des irakischen archäologischen Vermächtnisses hatten schon vor dem Regimewechsel begonnen, hauptsächlich durch hochrangige Funktionäre des alten Regimes. Leider gab es nach dem Wechsel weitere umfangreichere Zerstörungen und Diebstähle. Nur sehr wenig wurde 2003 unternommen, um Plünderungen und Zerstörungen zu beenden. Babylon ist ein Beispiel. Zusammen mit anderen historischen Orten wurde es vernachlässigt, ausgeraubt oder erschreckend beschädigt. Der Irak arbeitet jetzt daran, den verlorenen Gegenständen nachzuspüren und sie zurückzuführen. Aber noch viel mehr ist zu tun. um den Prozess der Rückforderung zu erleichtern. Wir benötigen finanzielle Unterstützung, Ausbildung und Fachwissen.
Deutsche offizielle Stellen sind vielfältig hilfreich. Es gibt ein Memorandum of Understanding zwischen dem Irak und Deutschland, auf kulturellem Gebiet zusammenzuarbeiten. Irakische Archäologen sind in Deutschland ausgebildet, und deutsche archäologische Missionen werden in Irak unterhalten, auch wenn einige im Moment nicht aktiv sind.
ARAB FORUM: "Bagdad-Bahn" ist in Deutschland ein wohl bekannter Begriff für die historische Beziehung mit dem Irak. Wann wird diese Eisenbahnlinie wieder eröffnet?
Dr. Alkhateeb: "Bagdad Bahn" wird auch im Irak als Symbol dieser historischen Beziehung angesehen. Eines der wesentlichen Verkehrsprojekte, das der Irak verwirklicht, ist der "dry channel". Das ist eine Eisenbahnverbindung von Basra und anderen Häfen im südlichen Irak am Golf nach Europa durch Syrien und die Türkei. Solch eine Verbindung erweitert die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen dem Golf, dem Nahen Osten und Europa und bringt die Menschen einander näher. Dadurch ergeben sich billigere und schnellere Transportwege für Güter zwischen Ost und West. Es sind bereits Schritte zur Realisierung des Projekts unternommen worden, für das ein deutsches Engagement sehr geschätzt wird.
Das Interview führte Rainer Schubert