Investitionsvolumen:
über 100 Milliarden US-Dollar
Der Emir von Kuwait besuchte Deutschland und ermunterte zu Investitionen
Donnerstag, den 1. Juli 2010

Zwei Mal täglich berichtete das Fernsehen in Kuwait über den Besuch seines Staatsoberhauptes, Sheikh Sabah Al-Ahmad Al-Jaber Al-Sabah, in Deutschland, dem er erstmalig in dieser Funktion seine Aufwartung machte. Eine besondere Herausforderung war der Staatsbesuch sicherlich für Dr. Musaed Al-Haroun, hatte er doch erst sechs Tage vor Ankunft seines Staatsoberhauptes, am 20. April, Bundespräsident Dr. Köhler sein Beglaubigungsschreiben als Botschafter des Staates Kuwait in der Bundesrepublik Deutschland überreicht – ein fulminanter Auftakt seiner Amtszeit.
Kuwaits Beziehungen zu Deutschland sind eng und traditionsreich. Das ölreiche Golfemirat war das erste arabische Land, das sich in Deutschland wirtschaftlich engagierte, nämlich 1974 mit dem Erweb eines Anteils an der Daimler-Benz AG. Die Beteiligung eines arabischen Landes an einer Ikone der deutschen Wirtschaft und deutschen Selbstverständnisses wirkte seinerzeit sensationell und provozierte durchaus Fragezeichen. Mit einem Anteil von 6,9 Prozent ist die Kuwait Investment Authority gegenwärtig zweitgrößter Einzelaktionär der Daimler AG, nach Aabar aus Abu Dhabi mit 9,1 Prozent. Überhaupt sind heute kuwaitische Investitionen in Deutschland geradezu eine Selbstverständlichkeit und inzwischen noch umfangreicher geworden. Mit einem geschätzten Volumen von 20 Mrd. Euro ist das Emirat der größte arabische Investor in Deutschland, vornehmlich in Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus, aber auch in der Konsumgüterindustrie.
Und Kuwait bietet umgekehrt ein umfangreiches Betätigungsfeld für deutsche Unternehmen. Dies zu vermitteln, war eines der Hauptanliegen des Staatsbesuchs, neben der Erörterung politischer Fragen wie der iranischen Atompolitik.
So traf der Emir neben Bundespräsident Dr. Horst Köhler, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert auch mit Wirtschaftsvertretern zusammen.
120 ihrer Spitzenrepräsentanten erläuterten der Emir, der stellvertretende Premierminister für Wirtschaftsangelegenheiten, Sheikh Ahmad Fahad Al-Ahmad, Al-Sabah, und der Präsident der kuwaitischen Industrie- und Handelkammer, Ali Thunayan Al-Ghanim, das Potenzial ihres Landes. Über 100 Mrd. US-Dollar stehen in dem im Februar 2010 verabschiedeten Vierjahresplan bereit, um in Projekte der Verkehrsinfrastruktur, des Wohnungsbaus, der petrochemischen Industrie sowie des Bildungs- und Gesundheitswesens investiert zu werden. Konkret bedeutet das u. a. den Bau 17 neuer Hospitäler, den Ausbau des Eisenbahnnetzes im Nah- und grenzüberschreitenden Fernverkehr, die Errichtung eines Containerhafens mit Gewerbe-, Industrie und Wohngebieten auf der Insel Bubiyan und den Bau von Silk City für 700.000 Einwohner.
Gegenwärtig sind die Kassen dank des Ölpreises gut gefüllt, für 2011 wird ein Wirtschaftswachstum von über fünf Prozent prognostiziert. Erklärtes Ziel der Diversifikations- und Privatisierungsmaßnahmen Kuwaits ist aber, wie der Emir den Wirtschaftsvertretern sagte, die Staatseinnahmen von der gegenwärtigen Erdöllastigkeit zu lösen.
Angesichts des traditionsreichen Engagements Kuwaits bei der Daimler AG stand natürlich auch ein Besuch Sheikh Al-Sabahs in Stuttgart auf dem Programm, um dort gewissermaßen einmal in "seiner" Firma, der Daimler AG, vorbeizuschauen. Und auch nur darauf beschränkte sich der Besuch am 28. April. Ein Staatsempfang oder Gespräche mit Vertretern der baden-württembergischen Landesregierung standen nicht auf der Agenda.
Die Verbindung zwischen dem Daimler-Konzern und den arabischen Investoren beschränkt sich nicht nur auf die finanzielle Beteiligung. Sie ist vielmehr langfristig und strategisch angelegt. Die Organisation "Young Arab Leaders" (YAL) unterhält seit 2005 eine Kooperation mit der Daimler AG, in deren Rahmen junge arabische Führungskräfte in verschiedenen Konzernbereichen des Stuttgarter Unternehmens durch dreimonatige Praktika (das Programm heißt: "Arab European Internship Exchange") Erfahrungen in einer anderen Kultur sammeln und Kontakte zu Daimler-Führungskräften aufbauen. YAL wurde 2004 vom Premierminister der Vereinigten Arabischen Emirate und Herrscher Dubais, Sheikh Mohammed bin Rasid al Maktoum, dem jordanischen König Abdullah II. und dem Kronprinzen des Königreichs Bahrain, Prinz Salman Bin Hamad Al-Khalifa, ins Leben gerufen.
Vom Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG, Dr. Dieter Zetsche, wurde Sheikh Sabah Al-Ahmad Al-Jaber Al-Sabah im Mercedes-Museum empfangen. Der hohe Gast informierte sich im Mercedes-Technologiezentrum in Sindelfingen über die neuesten Produkte des Unternehmens und besuchte die Mercedes-Teststrecke in Bad Cannstatt.
Für Baden-Württembergs Hauptstadt sind Besuche von Gästen vom Ranges eines Emir von Kuwait eher selten. Erwähnenswert fanden die "Stuttgarter Nachrichten" in ihrer Berichterstattung kurioserweise die für Stuttgart wohl ungewöhnlichen Staus und Verkehrsstockungen, die die polizeieskortierte Wagenkolonne der kuwaitischen Gäste auf ihren Fahrten zwischen den Besuchsorten, ihrem Logis im Hotel "Le Meridien" und dem Flughafen mit sich brachten.
von Rainer Schubert