Kultur und Tourismus in Saudi-Arabien
Dienstag, November 18th, 2008
Wenn anlässlich internationaler Konferenzen und Wirtschaftskongresse von saudischer Seite der Ausbau des Tourismusbereichs immer wieder betont wird und auch tatsächlich erfolgt, so ist nicht Tourismus im westlichen Sinne gemeint, sondern vielmehr Tourismus aus den arabischen Nachbarländern sowie vor allem Religionstourismus, der jährlich rund 12 Mio. Muslime zu Umrah oder Hadsch nach Mekka und Medina führt. Erst seit 1.1.1999 sind Gruppenreisen mit Reiseleitung aus westlichen Ländern möglich. Beachtet der westliche Besucher die strengen Kleidungs- und Verhaltensvorschriften entsprechend dem konservativen wahhabitischen Islamverständnis, dann kann er eine vielfältige Kultur in den Städten und grandiose Berg- und Wüstenlandschaften entdecken.
IN UND UM RIYADH: FORTS, PALÄSTE, KULTURZENTREN UND EIN FESTIVAL
Das historische Tor mit noch gut sichtbaren, von Speerspitzen verursachten, Kampfspuren führt ins Fort Masmak, wo König Abdulaziz im Alter von 26 Jahren in einer mutigen Aktion im Januar 1902 mit 60 Getreuen das Fort und damit Riyadh eingenommen, die Vereinigung der zerstrittenen Stämme bewirkt und damit den Grundstein für das heutige Saudi Arabien gelegt hat. Die Motive der historischen Fotos sind bis heute Vorlagen für Künstler, die Szenen auch auf der Leinwand zu interpretieren.
- Im sehenswerten Nationalmuseum mangelt es weder an monumentalen Darstellungen aus vorislamischer Zeit noch an moderner Präsentation geschichtlicher und geografischer Gegebenheiten mit Filmen auf 180 Grad Leinwänden, in denen mit Hilfe von Computeranimation das traditionelle Leben in der ersten, 1446 gegründeten Hauptstadt
Diriyah nachgestellt wird. Die Besuchern zugängliche Ruinenstadt liegt etwa 30 km außerhalb Riyadhs, umgeben von einer restaurierten Stadtmauer mit Rundtürmen. Die Stadt war Sitz der Regierungen des ersten saudischen Staats über lange Zeit, erlebte ihre Blüte im 18. Jahrhundert mit Moscheen, Badehäusern, einem unübersehbaren Häusermeer aus Lehm und Stroh auf Sandsteinblock-Fundamenten und Palästen von denen z. B. der prächtige zwei-stöckige Saad Bin Saud Palast sowie der rechteckige Bau des Nassir Bin Saud Palasts renoviert wurden. Die King Abdulaziz Foundation hat sich zum Ziel gesetzt, den Zeitraum ab dem 18. Jahrhundert bis 1953, dem Todesjahr von König Abdulaziz, zu dokumentieren. Sie ist eine Fundgrube für Besucher, die sich für Geschichte, Geografie, Kunst, Najd-Architektur und das kulturelle Erbe interessieren. Da König Abdulaziz hier lebte und regierte, sind viele seiner persönlichen Gegenstände zu sehen. Bemerkenswert sind Regierungsschreiben, historische Dokumente und die Bibliothek mit wertvollen Koranausgaben.
- Der Murabba- Palast, von außen trutzig mit seinen mächtigen Lehmfassaden mit nur wenigen Fenstern, die mit grünen Fensterläden verschlossen sind, ist im Innern eine architektonische Meisterleistung weißer Arkadengänge und glasverkleideter Veranden um einen Hof mit prächtiger Palme. Man wandelt durch die Gänge und schaut in die Räume des Königs: Arbeitszimmer, Raum mit Telegrafenstation (denn der König bestand darauf, stets – auch in der Wüste – über alle aktuellen Ereignisse bestens informiert zu sein), Gästezimmer und Empfangssaal und ist – besonders abends - verzaubert von einer Atmosphäre wie in 1001 Nacht.
Jedes Jahr im Februar wird zwei Wochen lang im Dorf Janadriyah, 45 km nördlich von Riyadh, unter der Schirmherrschaft des Königs und organisiert von der Nationalgarde, das Janadriyah National Culture and Heritage Festival gefeiert, das im Hinblick auf die Bewahrung des nationalen Erbes des Königreichs eine herausragende Rolle spielt. Im Jahr 1985 hatte der König die Idee, um die zentrale Veranstaltung – das große Kamelrennen - herum, ein Festival zu installieren, das sich seitdem ständig erweiterte. In zunehmendem Maße werden Künstler und Intellektuelle aus anderen Golfstaaten eingeladen. Berühmte Schriftsteller kommen zu Wort, es gibt eine große Buchausstellung. Besonders beliebt sind die Aufführung traditioneller Musik aus dem gesamten Königreich und die Tänze, die von der nationalen Folkloregruppe vorgeführt werden: z. B. der aus dem Nadj stammende traditionelle Kriegstanz Ardha sowie Lieder und Tänze aus Jeddah, die von der Seefahrt handeln.
STADT DER SKULPTUREN: JEDDAH
Über 400 Skulpturen sind in der Stadt aufgestellt – zu Recht wird Jeddah daher als Open Air Museum bezeichnet. Die Idee dazu hatte M. S. Farish, ein früherer Bürgermeister Jeddahs. Im Corniche Sculpture Park im Al Hamra District stehen Skulpturen berühmter Bildhauer aus der westlichen Welt, wie Henry Moore und Joan Miró. Die Altstadt von Jeddah kann man als Gesamtkunstwerk ansehen mit ihren Jahrhunderte alten Häusern aus Sandstein und Muscheln mit einer in der Welt einmaligen, phantastischen Fülle überhängender, kunstvoll geschnitzter Holzveranden (rawashin) und holzverkleideter Balkone (shish), die die Intimität des Privatlebens sichern und von der Meeresbrise durchweht werden. „Das besterhaltene Beispiel der Altstadt-Architektur von Jeddah ist das Nassif Haus inmitten der von einer Stadtmauer umgebenen Altstadt Al Balad. Im vorderen Teil vier Stockwerke und im hinteren Teil sieben Stockwerke hoch, war es früher das höchste Gebäude der Stadt. Es wurde aus Sandstein, gehalten von Teakholz-Balken, gebaut und verfügt über 50 Räume, die von den über 100 Mitgliedern der Nassif-Familie genutzt wurden. Seit 1970 ist es im Besitz der Regierung und Museum“, so Sami Saleh Nawar, ausgezeichneter Kenner der Altstadt und Direktor der Altstadtsanierung bei der Führung durch das Haus. Wunderschöne Gemälde der historischen Altstadt hängen in den Treppenaufgängen. „Das Treppenhaus ist deshalb wie eine Art Rampe gebaut, weil früher hier Lasttiere, sogar Kamele, herauf getrieben wurden, um Waren in die Küche im vierten Stock zu transportierten“. Von der Dachterrasse genießt man einen großartigen Blick über die Altstadt. Der Empfehlung von Sami folgend, besuche man das Altayebat Museum im Al Hamra District: ein prächtiges Gebäude im traditionellen Baustil der Stadt – ganz in weiß mit brauner Holzdekoration und mit einer angegliederten Moschee, deren Minarett mit rowashin (Holzbalkonen) geschmückt ist. Schon allein das Gebäude ist eine architektonische Attraktion durch die Vielzahl und Vielfalt der rowashin, Kuppeln, geschnitzten Fenster und Türen und Übergängen aus Holz, die verschiedene Gebäudeteile miteinander verbinden. Es beherbergt eine sehenswerte Auswahl an traditioneller Kleidung, Schmuck und Kunsthandwerk der Beduinen.
KÜNSTLERIN AUS LEIDENSCHAFT: SAFEYA BINZAGR
Unter den Künstlern im Königreich Saudi Arabien nimmt sie eine herausragende Stellung ein, da sie ihre künstlerische Schaffenskraft dem Erhalt der arabischen Traditionen widmet. Ihre persönlichen Verhältnisse haben es ihr ermöglicht, dies im Rahmen eines eigenen Museums in Jeddah zu tun, das gleichzeitig als Haus der Kunst und als Bildungsstätte fungiert. Solche Häuser sind in der arabischen Welt äußerst rar. Die Architektur des Darat Safeya Binzagr dient der Präsentation der Exponate. Um die zentrale, kuppelgekrönte Galerie im Erdgeschoß gruppieren sich Ausstellungsräume, in denen ihre eigenen Gemälde aus den 60-er Jahren bis heute zu bestimmten Themen zusammengefasst sind, z. B.: Traditionelles Handwerk, Architektur, Traditionelle Kinderspiele, Hochzeitszeremonien, Jagdszenen, …
Diese Räume sind das Herzstück des Hauses, das viele Überraschungen parat hält bis zum Höhepunkt: dem Raum mit wertvollen, traditionellen Frauenfestkleidern der verschiedenen Stämme an lebensgroßen Puppen, die echten Schmuck tragen. Perlen, Gold und Edelsteine glänzen hinter den fest verschlossenen Vitrinen. Mit Recht ist das Haus eine Aufforderung und Einladung an Kunstfreunde undUnternehmer, neben den sonst im Land üblichen Archäologie- und Folkloremuseen auch Museen für zeitgenössische Kunst in der arabischen Welt zu fördern. Safeya Binzagr will sammeln, erhalten und ausstellen und damit einen entscheidenden Beitrag für die Kultur des Landes leisten.
„Die Idee, meine Bilder zu sammeln, bekam ich nach meiner ersten Ausstellung, nach der alle Bilder verkauft waren, was ich hinterher außerordentlich bereut habe“, so die Künstlerin, die in Jeddah geboren wurde, ihr Kunstdiplom in London machte, viele Artikel über Kunst geschrieben und Vorträge über Kunst gehalten hat, Bücher schreibt und durch den Verkauf von Kunstkarten die UNESCO unterstützt. Sie ist Mitglied der Royal Academy of Art in London, ihre Bilder sind auf Ausstellungen um die Welt gereist und als „Botschafterin der Kunst Saudi Arabiens“ genießt sie höchste Anerkennung im Inund Ausland.
- Das Darat Safeya Binzagr ist nach Voranmeldung für Besucher geöffnet: Wali al-Ahd Street, Jeddah, Tel. 657-1030. www.daratsb.com
AUF DEN SPUREN DER NABATÄER: MADEIN SALEH
Im Al Ula Museum of Archaeology and Ethnography gibt es Informationen über die Altstadt von Al Ula, die Monumente der Nabatäer in Madein Saleh und die in Madein Saleh perfekt erhaltene Station der berühmten Hedjaz-Bahn mit schmucken Bahngebäuden und bestens erhaltener Lok aus Deutschland. Hier bekommt man die Genehmigung für den Besuch von Madein Saleh sowie den Führer für den Besuch der umliegenden Sehenswürdigkeiten: Mutlak al-Mutlak, der aus einer angesehenen Familie des Ortes stammt. Madein Saleh gehört zu den wichtigsten archäologischen Forschungsstätten des Landes und ist weiträumig umzäunt. Am Eingangstor, direkt neben einem imposanten Felsen, darf man nach Vorzeigen der Genehmigung Al Huir betreten. „Diesen Namen trug die südliche Hauptstadt der Nabatäer vor 2000 Jahren – sie war Zentrum für Karawanenhandel auf der Handelsverbindung z. B. von Süd-Arabien nach Mesopotamien. Durch die eingenommenen Zölle an strategisch guter Lage erreichte das Königreich der Nabatäer Wohlstand und Reichtum. Die Nabatäer bauten in den Fels gehauene Paläste, Tempel und Gräber. Das Felsgestein ist nicht so mineralhaltig, daher farblich nicht so intensiv wie in Petra, der nördlichen Hauptstadt der Nabatäer in Jordanien“, erklärt Mutlak. Über 130 Gräber sind vorhanden - zu den meist Besuchten gehören Qaser Alfereed und die Al Khuraimat Gräber.
Der Anblick der Felsen, die sich teilweise senkrecht aus dem Wüstensand der Nafoud Wüste erheben, und in ihren bizarren Formen an Tore, Säulen, Pilze, Tiere oder menschliche Figuren erinnern, wird unvergesslich bleiben.